: Jungs gegen Männer
■ Der HSV verliert 1:4 in Leverkusen und braucht nicht einen, nicht zwei, sondern gleich drei mehr neue Spieler für den Kampf gegen den Abstieg in die Zweite Liga
Vor ziemlich genau einem Jahr war Hans-Jörg Butt mit dem Hamburger SV nach großen Spielen gegen Juventus Turin aus der Champions League ausgeschieden. Nicht wenige prophezeiten den Hanseaten damals eine große Zukunft. Ihr Torhüter Butt hatte sich zu diesem Zeitpunkt allerdings schon auf einen Wechsel nach Leverkusen festgelegt, wo gerade Christoph Daum seinen unrühmlichen Abschied gefeiert hatte. Bei Bayer roch es in diesen Wochen eher nach Niedergang. Nicht nur in Hamburg zweifelte man an der Richtigkeit von Butts Entscheidung.
Wie klug sie indes war, bekamen die letzten Skeptiker beim Aufei-nandertreffen der beiden Clubs am Samstag nachhaltig vorgeführt: Die Hamburger wirkten gegen den verspielten, im Umgang mit Torchancen bisweilen übermütigen Tabellenführer behäbig wie ein Containerschiff gegen einen wendigen Außenborder.
Kurt Jara war jedoch trotz der Niederlage von der Leistung seiner Mannschaft angetan. „Fußball spielen können sie ja, das haben sie heute bewiesen“, analysierte er, wohl auch vor dem Hintergrund des guten Starts des HSV. Angetreten mit Sergej Barbarez hinter den Spitzen und mit Roy Präger und Erik Meijer davor, waren die Hamburger nach einem frühen Tor von Jörg Albertz in Führung gegangen. Eingeleitet durch einen feinen Diagonalpass von Bernd Hollerbach auf Erik Meijer landete der Ball in der siebten Minute bei Martin Groth, dessen Hereingabe Butt genau vor die Füße von Albertz ablenkte. Der musste nur noch einschieben. Eine frühe Führung, das sah nach Traumstart aus.
Kein Problem allerdings für die Leverkusener. Unbeeindruckt ließen sie ihrer Lust am Spiel freien Lauf und kamen nach 14 Minuten zum verdienten Ausgleich. Michael Ballack spitzelte einen halbhohen Freistoß von Oliver Neuville unter die Latte. Der eigentliche Rückschlag für den HSV folgte jedoch sechs Minuten später, als sich Abwehrchef Nico-Jan Hoogma bei einem Zweikampf mit Ulf Kirsten verletzte und mit einem Sehnen-Abriss im linken Fuß ausgewechselt werden musste. Marcel Maltritz rückte in die Defensivzentrale.
Maltritz unterlief dann auch jenes Missgeschick, das Jara nachher als „spielentscheidenden Fehler“ bezeichnete. In der 58. Minute spielte er den Ball unbedrängt aus der Abwehr in die Füße Zé Robertos, dessen Anspiel Oliver Neuville nach schönem Dribbling gegen den trägen Ingo Hertzsch zum 3:1 versenkte. Neuville avancierte so zum Helden des Nachmittags, ihm war schon das 2:1 gelungen und mit dem 4:1 krönte er seine Leistung.
Jara allerdings haderte mit dem Gegentor zum 3:1. Nicht nur „weil wir sehr gut angefangen haben“, sondern weil ihm erneut das mangelnde Potenzial seines Kaders vor Augen geführt wurde. Offensichtlich kommt weder Maltritz noch ein anderer Spieler als adäquater Hoogma-Ersatz in Frage: „Jetzt müssen wir schauen, dass wir einen erfahrenen Abwehrspieler bekommen“, kündigte er an. Nach einem Stürmer und einem Spieler für das zentrale Mittelfeld sucht der Trainer nun auch eine Verstärkung für die Defensive.
Dass die Ziele auch dann nicht in den Himmel wachsen werden, zeigen die Erwartungen, die Jara an das Spiel seiner Mannschaft hat. „Das ist der Fußball, den ich sehen will, nach vorne. Aber da darf man keine Fehler nach hinten machen“, lobte er eine Mannschaft, die in Leverkusen an die Wand gespielt wurde. HSV-Stürmer Erik Meijer sah eine Partie „Jungs gegen Männer“ und traf damit den Nagel auf den Kopf.
Ebenbürtig ist man vielleicht den Jungspunden vom VfB Stuttgart am Dienstag im DFB-Pokal, wo sich vielleicht, so hofft Jara, „eine Hintertür zum europäischen Wettbewerb öffnet.“ Für Hans-Jörg Butt dagegen stehen wieder zwei Spiele gegen Juventus Turin an. Daniel Theweleit
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