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offkinoFilme aus dem Archiv – Frisch gesichtet

Einen würdigen Abschluss erfährt die Antikfilmreihe im Filmkunsthaus Babylon mit der Komödie „The Three Ages“ (1923) von Buster Keaton und Eddie Cline. Nicht nur, dass eine der drei Episoden, in denen Buster jeweils versucht, die Liebe einer jungen Dame zu erringen, tatsächlich im antiken Rom spielt – der Film parodiert in seiner Struktur mit D. W. Griffith’ „Intolerance“ gleich auch noch eines der damals bekanntesten Stummfilm-Monumentalwerke. Für Keaton, der mit „The Three Ages“ seinen ersten abendfüllenden Film drehte, bot die Episodenstruktur zudem den Vorteil, noch einmal auf die Dramaturgie des vertrauten Kurzfilms zurückgreifen zu können. So also muss Buster in der Steinzeit, im alten Rom und in der Gegenwart den Eltern seiner Angebeteten beweisen, dass er der Richtige ist – was sich angesichts stärkerer oder reicherer Konkurrenten gar nicht so einfach gestaltet. Präsentiert der Nebenbuhler beispielsweise das fette Bankkonto bei der „First National Bank“, kann Buster mit einem leergeräumten Sparbuch der „Last National Bank“ natürlich kaum dagegenhalten. In den historischen Episoden speist sich die Komik vor allem aus den vielen Gegenwartsbezügen: Etwa, wenn Buster im alten Rom seinen Streitwagen wie ein Fahrrad mit einer Kette anschließt (und seinen Legionärshelm als Quasi-Sturzhelm gleich mit) oder wenn er in der Steinzeit das Baseballspiel erfindet und dank eines erstklassigen Schlages auch noch den Kontrahenten aus dem Weg räumt. In der Rom-Episode wird der Konflikt übrigens in einem spektakulären Wagenrennen ausgetragen, das keine Parodie auf „Ben-Hur“ ist: „The Three Ages“ kam zwei Jahre vor Fred Niblos Klassiker heraus. Eröffnet diese Tatsache vielleicht einen neuen Blick auf die Filmgeschichte?„The Three Ages“ (Drei Zeitalter) 6. 12. im Filmkunsthaus Babylon

***Filmhistorisch ebenso bedeutsam (allerdings überhaupt nicht komisch) ist Erich von Stroheims Versuch, in seinem Film „Greed“ den naturalistischen Roman „McTeague“ von Frank Norris nahezu buchstabengetreu auf die Leinwand zu übertragen. So dauerte die erste Fassung des Films dann auch nahezu neun Stunden – wie so oft in Stroheims Karriere war die drastische Kürzung eines ausgetüftelten Geniestreichs die Folge. Für eine ungefähr zweistündige Fassung wurden Sequenzen umgestellt, kommentierende Nebenhandlungen entfernt und eine Symbolik hinzugefügt, die von Stroheim niemals intendiert hatte. Viele Dinge sind kaum noch verständlich: So wird die Geschichte vom sozialen Abstieg eines Ehepaares, die Stroheim an Originalschauplätzen in einem heruntergekommenen Viertel von San Francisco filmte, eigentlich auch durch ihre ständigen Umzüge in immer schlechtere Behausungen verdeutlicht – durch die Reduzierung der Geschichte auf die vermeintlich wichtigsten Elemente des Plots sind derart wichtige Details schlicht verloren gegangen. Wer sich über „Greed“ weitergehend informieren möchte, dem sei einmal der Gang in die Bibliothek und der Vergleich des Films mit dem Originaldrehbuch empfohlen, das ebenso wie ein Bildband mit Standfotos der vernichteten Szenen belegt, welch Schindluder hier mit einem Meisterwerk getrieben wurde.„Greed“ 9. 12. im Arsenal 2***Seit den Tagen der Zusammenarbeit von Frank Tashlin mit dem Komiker Jerry Lewis hat es wohl keinen derart gelungenen Versuch mehr gegeben, die absurde physische Komik des Zeichentrickfilms in einen Realfilm zu übertragen: In „102 Dalmatiner“ von Ex-Trickfilmregisseur Kevin Lima („Goofy“, „Tarzan“) agieren Glenn Close, die sich als fiese Cruella De Vil mal wieder auf der Jagd nach Dalmatinerwelpen für ihren Pelzmantel befindet, und Gérard Depardieu als ihr charakterloser Modeschöpfer mit außerordentlich extravaganten Frisuren und Kostümen vor absonderlichen Kulissen exakt wie Figuren in einem Cartoon. Dass die Hunde durchweg vermenschlicht, verniedlicht und gut dressiert sind und das obligatorische hunderettende Liebespaar ein wenig dröge daherkommt, sollte da nicht weiter stören – das ist im Hause Disney schließlich nichts Neues.„102 Dalmatiner“ 6. 12.–12. 12. im Sojus 1 LARS PENNING

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