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„Dschalalalabad, o ho ho“

Berlin feiert die Bundeswehr mit einer Parade nach dem Sieg im Afghanistan-Krieg

Das Erstvorführungsrecht für hochrangige Gefangene habe man sich bereits gesichert

BERLIN taz ■ Am 13. Juni 2002 feiert die Bundesrepublik Deutschland das siegreiche Ende des Afghanistan-Krieges mit einer Parade in Berlin. Das teilte Regierungssprecher Bela Anda am Montag Medienvertretern in einem Hintergrundgespräch mit. Bundeskanzler Gerhard Schröder habe beschlossen, mit der Militärparade rund um die Siegessäule die Verdienste der Bundeswehr in Afghanistan zu würdigen. Zwar seien nur wenige Leistungen der Armee im Einsatzgebiet zu verzeichnen gewesen, es zähle jedoch der Wille zur „uneingeschränkten Solidarität mit den USA“, erklärte Anda.

Die Planungen für die Parade sind nach Angaben des Regierungssprechers schon weit gediehen. So habe man sich bei den Bündnispartnern das Erstvorführungsrecht für hochrangige Gefangene gesichert. Demnach werde der Talibanführer Mullah Omar im Falle seiner Ergreifung erst im Herbst des kommenden Jahres einem Internationalen Gerichtshof übergeben. Zuvor gehe der Mullah den Sommer über „auf Tour“, wie Anda scherzhaft erklärte. Der Protokollchef des Bundespräsidenten habe bereits ein detailliertes Organisationsmodell vorgelegt. Die gefangenen Taliban würden demzufolge in einem vergitterten Käfig über die Straße des 17. Juni gekarrt und dem Volk präsentiert. Allerdings müssten auf Wunsch des UN-Sicherheitsrates Volksbelustigungen wie Anspucken oder Kotwürfe unterbleiben.

Die Siegesparade anführen will Gerhard Schröder selbst. In seinem Gefolge werden die Fraktionsführer aller Parteien des Deutschen Bundestages den siegreichen Truppen voranmarschieren – auch ein Vertreter der PDS, die sich zwar zuvor gegen jede Kriegshandlung ausgesprochen hätte, jetzt aber in der Stunde der nationalen Verantwortung nicht abseits stehen wolle. Mit der Einbeziehung aller Parteien wolle der Kanzler das erfolgreiche Mitwirken insbesondere der Opposition im Krieg würdigen.

Im Übrigen, erklärte Anda, werde die gesamte Veranstaltung den Steuerzahler keinen Cent kosten. Schon jetzt seien Sponsoren wie DaimlerChrysler und andere gewonnen worden, die durch ihre Ausrüstung zum Gelingen des Feldzuges beigetragen hätten.

Selbst für Kleinigkeiten beim Ablauf des Triumphmarsches sei bereits gesorgt, versicherte Anda. So werde der Kriegspropagandasender RTL in seiner Berliner Radiodependance die ehrenvollen Posten der Lorbeerträger verlosen. Hörer könnten sich an einem Afghanistan-Quiz beteiligen und als Gewinn am 13. Juni den siegreichen Schlachtherren Schröder, Schlauch, Westerwelle, Merz, Glos und Claus während der Parade den Lorbeer übers Haupt halten. Ob sie dann wie im alten Rom auch den Spruch aller Bedenkenträger murmeln müssten, „Bedenke, dass du sterblich bist“, wisse man noch nicht, schmunzelte Anda. Um den Größenwahn der Sieger in Schach zu halten, wäre es eventuell passender „Bedenke, dass du wählbar bist“ zu raunen, ergänzte der sympathische Regierungssprecher.

Auch an die Soldaten sei gedacht. Neben einem nahrhaften Essen aus einer Gulaschkanone würden die Soldaten typische afghanische Andenken wie Burkas bekommen. Die allerdings würden eigens in einem Werk im ostdeutschen Görlitz hergestellt, weil selbst bis zum Sommer nicht genügend echte Ganzkörperschleier herantransportiert werden könnten.

Zum Ende der Parade wolle der Bundeskanzler schließlich tapferen Soldaten in Anlehnung an das preußische Ehrenabzeichen „Schwarzer Adler“ den neu geschaffenen Orden „Schwarzer Afghane“ verleihen.

Zu der Veranstaltung werden bis zu eine Million Bürger erwartet. Die eigentlich an diesem Termin geplante Love Parade müsse leider ausfallen, so der Regierungssprecher. Die Veranstalter der Love Parade seien jedoch nach einer bereits jetzt ausgehandelten zweistelligen Millionenentschädigung mit den neuen Entwicklungen einverstanden. Zudem hätten die Verantwortlichen erklärt, so werde die alte Aufmarschstraße Berlins wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt. Gerade der Marsch der siegreichen Bundeswehr durch das Brandenburger Tor sei ein Moment, der niemanden kalt lasse, hieß es aus Kreisen des Unternehmens Planetcom. Chef-DJ Dr. Motte habe sich denn auch erfreulicherweise bereit erklärt, zu dem Anlass eine Techno-Siegeshymne zu komponieren. Titel: „Dschalalalabad, o ho ho.“ MICHAEL RINGEL

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