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Das lautlose Lied der Steine

■ „Fluxus ist Luxus“ – Performance mit Claus Böhmer und Henning Christiansen im Künstlerhaus Weidenallee

Es ist ein Festtag für die Kunst, wenn alte Hasen, die schon mit Joseph Beuys zusammengearbeitet haben, sich mit der nächsten Künstlergeneration zu einem Perfor-manceabend treffen. Dass es dabei nicht um kollektives Bilderaufhängen geht, versteht sich von selbst. Vielmehr zeigt sich die andauernde Wirkkraft des Fluxus-Gedankens, der nun schon seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts die Freiheit gegenüber allen künstlerischen Materialien propagiert.

Der Luxus dieser Haltung ist aus heutiger Sicht der bewusste, oft verschwenderische Umgang mit Zeit, die Intensität des anscheinend Belanglosen und die offene Kooperation der Beteiligten. So wird mit großem technischen Aufwand „tonloser Klang“ zu Gehör gebracht, die Musik mit dem Hammer gemacht oder schlicht mit Steinen geklackert, während jemand mit Schallplatten jongliert und ein nur sekundenlanger Filmtake zu einem Erlebnisraum gedehnt wird.

Den Kern des jetzt vom Verein weltbekannt e.V. organisierten Samstagabends im Künstlerhaus Weidenallee bildet die alte Fluxus-Fraktion der Hamburger Kunsthochschulprofessoren Claus Böhmler und Ernst Kretzer samt Emeritus Henning Christiansen. Der hat dieses Jahr den dänischen Pavillon der Biennale di Venezia bespielt und will trotz Krankheit extra aus dem dänischen Møn anreisen, um aus dem Hintergrund als Großmeister des Abends zu figurieren. Von ihm ist eine Aufführung der Stonesongs geplant, eine Arbeit mit Steinen von Frank Raendchen zu einem komplexen Sound, der seit Jahren immer wieder live ergänzt und überspielt wird.

In unterschiedlicher Zuordnung der Künstler gibt es dann ein zeitlich unbegrenztes Video von Katharina Kohl über die Erschaffung einer Situation aus dem Blick, Klangmixturen von Ernst Kretzer, vermutlich drei kleine Aufführungen von Claus Böhmler, wie eine Schallplattennummer und ein Radiokonzert, das Stück postsilence über das Klingen der Stille von Manfred Kroboth und die Videoprojektion Yellow Wall von Thomas Stordel. Dieser Liebhaber der Farbe gelb zeigt die Kachelwand einer Zellulosefabrik aus den 60er Jahren bei Sonnenaufgang. In der Projektion mit den Schatten vorbeifahrender Autos wird das Ganze zu einer Hymne an die Van Goghsche Sonnenfarbe, die allerdings einen durchdringenden Geruch erhält, wenn sich der Raum mit Schwefeldämpfen zu füllen beginnt.

Wo alle Sinne angesprochen werden sollen und die Reaktion auf die aktuelle Situation besonders wichtig ist, ist allerdings eine genaue Vorankündigung schwierig. Denn Fluxus leistet sich den Luxus, getreu ihrem Namen stets alles im Fluss zu lassen. Hajo Schiff

Fluxus ist Luxus, Samstag, 15. Dezember, 20 Uhr, Künstlerhaus, Weidenallee 10b

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