■ H.G. Hollein: Malkram
Die Frau, mit der ich lebe, will sich ausdrücken. Bildhaft. Ich finde das ja nicht unbedingt erforderlich. Ab und an ein bisschen „Malen nach Zahlen“, das möchte ja noch angehen, allein, die Gefährtin drängt es nach Großformatigem: „Ich brauche Raum für meine Visionen, Weite, ach was, Unendlichkeit!“ Das klingt bedrohlich nach Öl und ganzwändigen Panoramen unbestimmbaren Inhalts. Mein Vorschlag, die angehende Meisterhand fürs Erste mit ein paar pointilistisch hingetupften Miniaturen zu lockern, wurde leider mit dem Hinweis abgefertigt, Aquarellieren sei „Piffelkram!“ Groß oder gar nicht will es die Gefährtin, wobei ich mich des Verdachts nicht erwehren kann, dass es sich bei diesem unbedingten Wollen lediglich um einen Vorwand handelt, um in einem schmuddligen Kittel mit einem Absinthglas in der Hand jeglichem Ansinnen bourgeoiser Ordnung endgültig den Rücken zu kehren. Missbehagen überkommt mich auch bei der Aufforderung „zieh dich schon mal aus, ich muss meine Anatomiestudien machen“. Ich will das nicht, soll es doch zwischen Malern und Modellen recht lose zugehen. Andererseits bemerkte die Gefährtin kühl, da reiche vielleicht doch ein Kleinformat. Auch erscheinen mir die projektierten Sujets der Gefährtin eher wenig marktgängig. „Chefredakteur am PC von hinten“ oder „Treppenhaus mit defekter Deckenleuchte“ – das mag eine gewisse hintersinnige Spannung aufweisen, trägt rezeptionsgeschichtlich aber wohl den Keim einer Verkennung ab initio et ad infinitum in sich. Aber vielleicht gelingt es mir ja noch, der Gefährtin kostendeckendere Topoi schmackhaft zu machen. „Weinseliger Mönch“ oder „Akt mit Zigeunerin im Abendrot“ – so was geht doch eigentlich immer.
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