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Für ein anderes Menschenbild

 ■ Von wegen alles neu: der Bremer Arbeitsmarktexperte Paul Schröder über das JobAqtiv-Gesetz, das 2002 in Kraft tritt

„In gewissem Sinne populistisch“, sagt Paul Schröder zu Schlagworten wie „Fordern und Fördern“ und den Elementen des JobAqtiv-Gesetzes, das Anfang 2002 in Kraft tritt. Paul Schröder ist einer, der es beurteilen kann: Er verkörpert das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe, ergänzt als solches allmonatlich die aktuellen Arbeitsmarktstatistiken mit hilfreichen Vergleichen und hat bereits Kanzler Gerhard Schröder bei dessen stolzem Brüsten mit einer Verringerung der Arbeitslosenzahlen um eine Million das Lügen nachgewiesen (die taz berichtete).

Den vermeintlich neuen Aufbruch per JobAqtiv-Gesetz in der Arbeitsmarktpolitik beurteilt Paul Schröder zurückhaltend. Nicht wirklich neu sei das, was Arbeitsminister Walter Riester auf Bundesebene sowie Arbeissenatorin Hilde Adolf (beide SPD) auf Landesebene als zukunftsweisend und innovativ verkauften – so der Tenor seiner Kritik. Paul Schröder äußert sie nie laut, nie anklagend, nur auf explizite Nachfrage und immer mit einem leisen Lächeln auf den Lippen, so als würde er sich wundern über das Jonglieren mit Begriffen und Zahlen, das Politiker stets zu ihren Gunsten versuchen zu vollführen.

„Leistungen waren schon immer mit Forderungen verknüpft“, sagt Schröder und meint die neue „Eingliederungsvereinbarung“ im JobAqtiv-Gesetz, bei deren Nichteinhaltung dem Arbeitssuchenden Sanktionen drohen. „Durch die Vereinbarung“, stellt Schröder fest, „entsteht kein neues Rechtsverhältnis.“ Weder hat der Arbeitssuchende bei Nichterreichen der festgesetzten Ziele Anspruch auf Weiterbildung oder andere Maßnahmen noch ergeben sich für die Vermittler andere, neue Druckmittel als die, die sie ohnehin schon hatten. Es scheine „en vogue, sich mit alten Selbstverständlichkeiten zu profilieren“. Die Formulierung stammt nicht von dem Bremer Arbeitsmarktexperten, sondern von Achim Trube, Professor für Sozialpolitik an der Universität Siegen, Schröder zitiert sie gerne. Was ihn außerdem ärgert: „Dass letztendlich diejenigen, die arbeitslos sind, auch als Hauptschuldige an ihrer Arbeitslosigkeit gelten.“

So wenig wie der Einzelne immer für seine Situation verantwortlich gemacht werden kann, ebenso wenig erwünschte Wirkung haben Arbeitsförderinstrumente wie ABM oder SAM (Strukturanpassungsmaßnahmen): „Gegen die konjunkturelle Entwicklung können sie nicht gegensteuern“, betont Schröder. Dennoch hält er die allgegenwärtige Abneigung vor allem gegenüber ABM für falsch: „ABM und SAM schaffen unmittelbare Beschäftigung.“ Außerdem gebe es gerade mal eine einzige, aber sehr fehlerreiche Studie zur vermeintlichen Effektlosigkeit von ABM.

Was Paul Schröder täte, wenn er Walter Riester wäre? „Ich würde von einem Menschenbild ausgehen, das will und selbst motiviert ist.“ sgi

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