: Die Restmülltonne scheidet aus
Was anfangen mit den gut gemeinten Präsenten der Lieben? Überlegungen nach dem besinnlichen Fest
Kaum ist Ruhe eingekehrt an der Frohsinns- und Friedensfront, schon beginnen die wirklichen Probleme. Denn nun liegen sie da, die Geschenke, ausgepackt, allesamt gut gemeint und genau deshalb irgendwie vorwurfsvoll. Was tun mit diesen lästigen Überbleibseln?
Die Restmülltonne im Hinterhof scheidet aus. Einerseits aus ethisch-moralischen Überlegungen (siehe Interview). Andererseits ist da noch der pensionierte Oberstudienrat aus dem Vorderhaus, der das Leben seiner Nachbarn anhand ihrer Konsumreste rekonstruiert. Schreckliche Vorstellung, ihn demnächst unisex-duftend vor den Briefkästen zu treffen.
Glücklicherweise gibt es andere Optionen der Geschenkeverwertung. Menschen mit humorvollen Freundeskreisen sei das nachweihnachtliche Schrottwichteln empfohlen (Spielanleitung siehe Kasten). Bei uns ist Bernd in diesem Jahr sogar seinen Techno-Maker XXL losgeworden – ein Computerprogramm, mit dem er vor Jahren seine DJ-Karriere einleiten wollte.
Bernd studiert heute immer noch Kunstgeschichte, zog beglückt mit seiner Tschibo-Kaffeetasse voll selbst gebackener Kekse von dannen, die Heike mitbrachte, und ich muss nur noch meine Mitbewohnerin überreden, mich einen Nachmittag an ihren schnellen Rechner zu lassen. Einer muss die „megastarke Soundmaschine mit bombastischem 303-Frequenzer“ schließlich ihrer Bestimmung zuführen.
Noch mehr Auswahl als solche privaten bieten die professionellen Börsen – die so genannten Tauschringe, die in fast jedem Bezirk der Stadt existieren und nur scheinbar sinnlose Dinge glücklichen Besitzern zuführen (www.tauschringe-berlin.de).
Das Prinzip ist simpel: Mittels einer imaginären Währung, die auf einem Konto abgebucht oder gutgeschrieben wird, können alle Mitglieder auf die Angebote der anderen zugreifen. Der vollsynthetische Rollkragenpulli von Großmutters Gaben könnte also mit etwas Glück einen Kreuzberger Studenten dazu bringen, beim nächsten Umzug anzufassen. Und vielleicht übernimmt jemand für die Ringtaschenbücher freudig den Frühjahrsputz. Spätestens hier sollte sich für jedes überflüssige Geschenk ein Abnehmer finden.
Dennoch, um das ganze Dilemma zu vermeiden, müsste man wohl nur meine beiden Bekannten nachahmen: Sie schenken sich zu allen festlichen Anlässen einen gehäkelten Klorollenüberzug, wie man ihn auf der Ablage von älteren Opel-Modellen gelegentlich noch sieht. Seit fast dreißig Jahren immer denselben. ULRICH SCHULTE
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen