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Ein Respektloser mit Bammel

■ Der Preisträger des 4. Bremer Filmpreises, Marcel Ophuls, über die Quotenhörigkeit des Fernsehens, schmutziges Geld für Produktionen und die Privilegien des westlichen Filmemachers. Ein Gespräch mit dem 74-Jährigen

Ein freundlicher, kleiner, älterer Mann ging da am Donnerstag- abend in der oberen Rathaushalle ans Rednerpult, um sich mit einer kurzen Rede für den 4. Bremer Filmpreis zu bedanken. Ihm sei zwar von der Jury „Respektlosigkeit“ bescheinigt worden, doch habe er anlässlich dieser Ehrung durchaus Respekt, um nicht zu sagen „Bammel“. Das waren nur die ersten Sätze von Marcel Ophuls – die doch gleich den subtil-subversiven Witz dieses Filmemachers deutlich machen. Schon bei der Pressekonferenz am Morgen hatte er, angesprochen auf die Quotenhörigkeit in der heutigen Fernsehlandschaft, von „kapitalistischer Propaganda“ gesprochen – und dies im Vorstandsgästeraum der Sparkasse Bremen. In dieses Fernsehen hätten Filme wie die seinen nicht mehr gepasst, weshalb er sich „wie Candide bei Voltaire“ lieber um seinen Garten kümmere.

taz: Herr Ophuls, man merkt ja, wie sehr Sie sich über diesen Preis freuen, aber hat es nicht auch für Sie mal eine Zeit gegeben, in der Sie als zorniger junger Mann, wie Jean-Luc Godard, solch eine „bürgerliche Ehrung“ abgelehnt hätten?

Marcel Ophuls: Nein, sowas hätte ich schon damals falsch gefunden. Wir leben in der westlichen Welt, der wir viel zu verdanken haben. Ich fand es auch irrsinnig arrogant von Jean Paul Satre, den Nobelpreis abzulehnen. Und schließlich ist sowas ja auch mit Geld verbunden. Eine deutsche Sparkasse fördert die Kultur! Wunderbar! Ich will Ihnen sagen, was ich nicht richtig finde: Mit dreckigem Geld Filme zu machen. Von Berlusconi würde ich nichts annehmen.

Wobei es heutzutage schwer ist, zu erfahren, woher das Geld kommt.

Das kann man schon herauskriegen. Ich glaube, dass mein Vater – das ist zwar eher ein Gerücht als eine Tatsache, aber ich glaube daran – während der Dreharbeiten herausgefunden hat, dass sein letzter Film „Lola Montez“ mit dreckigen Mafia-Gelden finanziert wurde. Von diesem Moment an hat er alles geändert und den Film als einen riesigen Hilfeschrei in die Welt gesetzt.

Ihr Vater Max Ophuls hat ja damals schon vom „Verlust der ästhetischen Geduld“ beim Publikum gesprochen, ein Satz, den Sie heute für prophetisch halten. Kann man sagen, dass Ihre Filme, die ja alle viel länger als die klassischen 90 Minuten sind, eine Gegenstrategie zu dieser Tendenz sind?

Nicht bewusst, denn das waren ja alles Auftragsarbeiten, und man hat von mir verlangt, dass es lange Filme sein sollten, die dann im Fernsehen in mehreren Teilen gesendet wurden. Die BBC hat bei einem Film im Vertrag festgelegt, dass er mindestens dreieinhalb Stunde lang sein sollte. Maximum waren allerdings viereinhalb Stunden – und ich habe ihn vier Stunden und fünfzig Minuten lang gemacht, das war dann schon wieder aus Daffke.

Woher kommt bei Ihnen dieses Spielerische in den Filmen, die ja nicht wie Dokumentarfilme im klassischen Sinn wirken, sondern wie Spielfilme, in denen es statt geschriebener Dialoge Interviews gibt?

Es gibt da zwei Schlüsselworte: Die Dramaturgie, die mir in meinen Filmen sehr wichtig ist, und die Pädagogik, die mich überhaupt nicht interessiert. Ich mag so eine Art von Dokumentarfilmen, die ich bebilderte Lehrstunden nenne, überhaupt nicht. Es ist doch nicht meine Aufgabe, die Arbeit schlechter Lehrer nachzuholen. Ich gehe davon aus, dass die Zuschauer schon genug wissen. Wenn ich mich täusche, habe ich Pech gehabt, oder die Schüler haben Pech gehabt, oder die Leher haben Pech gehabt – ich bin da fatalistisch. Aber Dramaturgie und Struktur, das ist das, was ich bei meinem Vater und bei Lehrmeistern wie John Huston gelernt habe. Früher hat man ja bei Interviews in Dokumentarfilmen prinzipiell die Fragen rausgeschnitten, damit es so wirkt, als würden die Leute spontan reden. Das fand ich unehrlich. Deshalb bin ich mit meinen Fragen, die auch meinen Blickpunkt verdeutlichen, im Film zu sehen. Ich sage den Leuten vorher nie, was ich sie vor der Kamera fragen will, und ich führe auch eher Gespräche, als dass ich Fragen auf einer Liste durchgehe. Dadurch entstehen Dialoge, die ich dann durch Montage so strukturieren kann, dass sie dramaturgisch wie in Spielfilmen wirken.

Das Gespräch führte Wilfried Hippen

Marcel Ophuls' Film „Veillées d'armes“ über Journalisten in Kriegszeiten läuft am Dienstag, den 22. Januar, um 18.30 Uhr im Kino 46, Waller Heerstraße 46.

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