piwik no script img

„Wir schalten analog ab“

Schon im nächsten Jahr will ORB-Chef Hansjürgen Rosenbauer ganz aufs terrestrische TV-Signal verzichten. Die Fusion mit dem SFB sieht er auf gutem Kurs. Es sei denn, CDU und PDS stören noch

taz: In Ihrem Sender war ja einiges los seit Jahresbeginn. Erst die Feier zum zehnten Geburtstag, dann die Stasi-Vorwürfe gegen Hagen Boßdorf. Können Sie trotzdem kühlen Kopfes die Fusion mit dem SFB planen?

Hansjürgen Rosenbauer: So schnell verlieren wir nicht den Kopf. 10 Jahre erfolgreiche ORB-Geschichte wiegen mehr als eine Woche Diskussion über Hagen Boßdorf – wenn das auch etwas war, was man sich nicht gerade wünscht. Unser Jubiläum hat noch einmal deutlich werden lassen, wie verwurzelt und anerkannt wir in Brandenburg sind. Und dass wir in unserem Jubiläumsjahr auch programmlich so erfolgreich sind – das ORB-Fernsehen z. B. hat die meisten Zuwächse aller Dritten Fernsehprogramme – zeigt uns das ebenfalls. Wir konzentrieren uns jetzt auf die Senderfusion, die keine Vision mehr ist, sondern greifbare Realität.

Was haben Sie denn schon in der Hand?

Es gibt am 30. Januar ein Treffen der Intendanten beider Häuser mit den Leitern der Senats- bzw. Staatskanzlei. Dort werden wir den Referentenentwurf abschließend beraten. Die Fragen, die als die sensibelsten hochstilisiert werden: Sitz der Anstalt, Name, Zusammensetzung der Gremien – die werden zwischen Manfred Stolpe und Klaus Wowereit geklärt.

Der Zeitplan auch?

Natürlich hat alles darauf gewartet, dass in Berlin die Regierung zustande kommt. Erst jetzt kann man einen genauen Zeitplan aufstellen. Ich gehe von folgendem Ablauf aus: Anhörung in Berlin und Brandenburg, danach wird der Entwurf den Kabinetten zugeleitet, dann wird er verabschiedet. Und danach geht es seinen parlamentarischen Gang. Wenn das schnell geht, ist es bis Herbst erledigt. Wenn es langsam geht, dann bis Ende des Jahres. Und wenn es ganz langsam geht, kann sich das noch länger hinziehen. Und zwar aus einem Grund, der immer übersehen wird: Bislang haben sich weder die CDU in Brandenburg noch die PDS in Berlin mit dem Verfahren beschäftigt. Aber das ist jeweils ein koalitionsinternes Problem.

Die PDS spielt jetzt eine ganz andere Rolle. Macht das für Sie einen Unterschied?

Ich glaube nicht. Es könnte aber sein, dass die PDS ein bisschen sensibler für die Befindlichkeiten der Brandenburger und der Ostberliner ist und eher erkennt, dass nicht nur das ausschlaggebend sein kann, was in Westberlin als besonders sensibel gilt.

Also ist Rot-Rot für den ORB die optimale Koalition?

Wir wären genau so gut mit einer Ampelkoalition klargekommen. Der Berliner Übergangssenat hatte ja erkannt, dass die Fusion ein sehr öffentlichkeitswirksames Thema ist, bei dem man etwas bewegen kann – nachdem sich sonst bisher nicht so viel bewegt hat. Ich möchte erst sehen, was die rot-rote Koalition in Berlin tatsächlich leistet, bevor ich mir ein Urteil zutraue.

Wie wollen Sie aber sonst gewährleisten, dass Brandenburg in der neuen Anstalt ausreichend präsent ist?

Das Interesse beider Partner ist, dass niemand die Sorge haben muss, der eine würde den anderen austricksen. Vielleicht wäre es klug, in den Staatsvertrag noch ein, zwei Punkte aufzunehmen, die diese Furcht aus der Welt schaffen. Unser Rundfunkrat fordert völlig zu Recht, dass wir für die Grundversorgung mindestens fünf flächendeckende Rundfunk-Frequenzen haben müssen. Wie wollen Sie einem Hörer erklären: Für Berlin hat der neue Sender sieben Programme, für Brandenburg aber nur vier? Die Leute werden sagen: Wofür bezahlen wir dann dieselbe Gebühr?

Sie machen sich immer stark für den Standort Potsdam. Reizt es Sie denn gar nicht, in Berlin Intendant zu sein – mit Blick über die Hauptstadt?

Ich habe schon gemerkt, was Sie in die Frage reingeschummelt haben. Wer auch immer Intendant der neuen Anstalt sein wird, muss für beide Länder denken. Und für Brandenburger, die nicht im engeren Verflechtungsraum leben, ist Potsdam fast dasselbe wie Berlin: Das ist die Hauptstadtregion. Wir reden ja nicht etwa über einen Intendantensitz in Cottbus – das wäre wirklich eine Aufregung wert.

In der Übergangszeit sollen ja erst mal beide Fernsehprogramme weiterlaufen …

Es wäre völlig absurd zu sagen: Im Herbst oder Frühjahr wird ein neuer Intendant gewählt, und alles neu macht dann schon der Mai. Auf jeden Fall wird es im Fernsehen sehr komfortable regionale Fenster für Berlin und Brandenburg geben müssen. Nur: Das wird sich alles völlig verändern mit der Umstellung auf das digitale TV-Signal DVBT.

Wann ist das so weit?

Wenn es nach den derzeitigen Planungen geht, werden wir 2003 bei der Terrestrik von analog auf digital umsteigen. Wir schalten analog dann ganz ab. In Brandenburg empfangen nur noch 3 Prozent der Haushalte analog terrestrisch. Für den 13. Februar ist die Vertragsunterzeichnung zusammen mit ARD, ZDF, RTL, ORB und SFB angesetzt. Dann gibt es ganz andere Möglichkeiten, das Programm zusammenzustellen. Da wird sich viel bewegen.

Was die Gremien angeht: Der SFB ist ja anders zusammengesetzt und definiert als der ORB. Wie kann man das ORB-Modell übertragen?

Der Staatsvertrag kann die Bildung von Freundeskreisen nach der politischen Farbenlehre nicht verhindern. Ich bin nicht naiv genug zu glauben, dass in dieser neuen Anstalt politische Gruppen nicht eine stärkere Rolle spielen werden, als das in Brandenburg der Fall war. Solange die sich aber auf Länderinteressen beschränken und nicht anderen Interessen verfolgen, habe ich kein Problem damit. Aber es stimmt: Die Zeit des wilden Neuaufbruchs, wo sich die Gremien nur sich selbst oder dem Programm verpflichtet fühlten, könnte zu Ende zu gehen.

Lassen Sie es uns noch einmal versuchen: Sie engagieren sich sehr für den neuen Sender. Können wir daraus schließen, dass Sie auch weiter dort arbeiten wollen?

Ich engagiere mich so oder so für die neue Anstalt. Ich möchte das Beste für die Zukunft des Senders erreichen. Die Frage nach dem zukünftigen Intendanten wird viele Gremien beschäftigen. Für mich ist die Fusion keine Veranstaltung aus Karrieregründen. INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG / ALEXANDER KÜHN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen