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Geplünderter Ort

Eine Ausstellung im Harburger Helms-Museum zeigt Funde aus „Megiddo Tell el-Mutesellim – Armageddon“  ■ Von Hajo Schiff

In Armageddon findet sie statt, die letzte Schlacht zwischen Gut und Böse vor dem jüngsten Gericht – und das Hollywood-Kino nutzte den seltsamen Namen schon einmal für ein Weltuntergangsepos. Dabei ist der in der biblischen Apokalypse auftauchende Ort ganz real: Es ist der „Har Megiddo“, der „Berg Megiddo“, fünfzehn Kilometer südwestlich von Nazareth in der Jesreel-Ebene im heutigen Israel.

Der Jahrtausende alte Sied-lungshügel, auch Tell el-Mutesellim genannt, liegt inmitten der einzigen Ebene, die das durchgängige Nord-Süd-Gebirge Palästinas in Ost-West-Richtung durchschneidet. Kein Wunder, dass die dort mindestens zwischen 3500 und 300 vor unser Zeit belegte Stadt eine unendlich oft umkämpfte Schlüsselposition hatte. Über deren Probleme im 14. Jahrhundert v. u. Z. hat sich sogar ein reger Briefverkehr auf Keilschrifttafeln erhalten, sie wurden im ägyptischen Reichsarchiv in Echnatons Tell el-Amarna gefunden und befinden sich heute in Berlin.

Auch in der aktuellen Ausstellung im Harburger Helms-Museum zum Thema Megiddo gibt es eine Liste der wichtigsten Kämpfe um diesen Ort. Die kommt schon bei der Nennung nur der wichtigsten auf mindestens 35 Schlachten: Vom durch Tempelinschriften in Karnak penibel dokumentierten Kampf 1479 v. u. Z. unter Pharao Thutmosis III. bis hin zur israelischen Armee im „Sechstagekrieg“. Mehrfach gab es dort Kämpfe zwischen Saladin und den Kreuzrittern, und selbst Napoleon zog dort gegen die Ottomanen. Noch 1918 kopiert General Allenby auf Anraten des Archäologen-Freischärlers Lawrence of Arabia die 3397 Jahre alte, gewagte Taktik des Pharaos, durch eine schmale Schlucht zu ziehen, besiegt die türkischen Truppen und wird deshalb zum Lord of Armageddon ernannt.

Heute sei die Lage dort aber friedlich, versichert entgegen den täglichen schlechten Nachrichten aus der Region der heutige Grabungsleiter, Prof. Ussishkin von der Universität Tel Aviv. Allerdings werden die Archäologen von nationalen Kreisen und von Bibelforschern argwöhnisch beäugt, geht es beiden doch darum, dort Belege für den großen König Salomon zu finden. Doch obwohl wie Futterkrippen geformte Steine in einem mehrschiffigen Vorratsraum diesem die populäre Bezeichnung „Pferdeställe Salomos“ einbrachten, gibt es bisher keinen wissenschaftlichen Beweis für die historische Existenz von König Salomon.

Interessant ist an der Grabung und auch an der Ausstellung vor allem die komplexe Geschichte einer Stadt an der Grenze von bis heute ständig um die Vorherrschaft streitenden Mächten aus Nord und Süd, Ost und West. Denn die von dem deutschen Archäologen und Architekten Gottlieb Schumacher vor 99 Jahren im Auftrage des deutschen Palästina-Vereins begonnene Grabung gilt in Fachkreisen als „die Grabung ohne spektakuläre Funde“, kein Wunder bei einer immer und immer wieder geplünderten Stadt.

Doch dass die knapp dreißig hier gezeigten Originalfundstücke schon einen Gutteil des zur Verfügung Stehenden ausmachen, macht jenseits literarisch-wissenschaftlicher Begeisterung den Aufbau einer attraktiven Ausstellung nicht gerade einfacher. Und so passt die aktuelle Präsentation im Helms-Museum in doppeltem Sinne genau in die lange Serie der dort immer wieder vorgeführten Ausstellungen zur Entstehung bronzezeitlicher Städte im vorderen Orient: Als verdienstvoller persönlicher Schwerpunkt des gerade zurückgetretenen Direktors Prof. Ralf Busch, aber auch als eine sachliche Schau wenig auratisch inszenierter Objekte. Und das, obwohl sogar ein ägyptischer Streitwagen und eine ganze Tempel-Cella samt möglichem Götterbild nachgebaut wurde. Es ist eben verflucht schwer, in die Harburger Schuhkartonräume im Stil der späten 60er Jahre die Indiana Jones-Faszination des geschichts-satten Orients zu verpflanzen.

Di–So 10–17 Uhr, Helms-Museum, Hamburgisches Museum für Archäologie und die Geschichte Harburgs; bis 2. Juni; Katalog, Verlag Wachholtz, 168 Seiten, 15 Euro

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