salt and pepper: George W. Bush und die Eröffnungsfeier
„Hier bin ich, verehrt mich!“
„Verdammt, ist das kalt hier. Warum hat mich niemand gewarnt? Das kann man doch einem Präsidenten nicht zumuten. Wieso können die ihre komischen Winterspiele nicht in einem heißen Land veranstalten? Aber stimmt ja. Wir müssen Olympia machen, um der Welt zu beweisen, dass wir jedes Großereignis ausrichten können, ohne uns von schäbigen Terroristen einschüchtern zu lassen, und wenn wir auch noch den letzten Polizisten des Landes hierher schleifen. Das ist gut, das erzähle ich nachher gleich dem Fernsehheini, wenn ich zum Interview bei NBC bin, oder war es NBA? Na egal.
Was soll ich eigentlich tun? Mal Laura fragen. Aha, still stehen und gucken wie ein Präsident. Klasse, das kann ich, auch wenn ich den Mount-Rushmore-Blick von George Washington immer noch nicht richtig hinkriege, obwohl ich doch jeden Morgen vor dem Spiegel übe. Ah, da kommt ja schon das Fernsehen. Bin gleich wieder da, Laura. Warte nicht mit dem Essen auf mich, hahaha. Geschafft. Fragt mich dieser dämliche Costas doch glatt, wie es mir geht. Gut wie nie, natürlich. Krieg hält jung, außerdem laufe ich jeden Tag drei Meilen in 21 Minuten, habe ich ihm erzählt. Da hat er blöd geglotzt. Der bricht wahrscheinlich schon zusammen, wenn er zum Briefkasten geht, dieses Pfannkuchengesicht.
Mann, ist das langweilig. Bei der Super Bowl war wenigstens Action. Oh, oh, stramm stehen, Georgie! Da singt ja einer God Bless America. Na, wenn das kein Feuerwehrmann ist. Die sind auch überall, neuerdings. Gibt’s eigentlich keine Brände mehr? Und da ist ja auch die Flagge von Ground Zero, um die es so viel Ärger gab, weil diese Olympiafatzken sie nicht wollten. Gut für sie, dass sie noch eingelenkt haben, sonst wäre ich selbst zu diesem IOC-Trottel gegangen und hätte ihm erklärt, dass ich die Fahne gleich persönlich in seinen belgischen Arsch schieben werde. Hätte Laura bestimmt wieder geschimpft, sie meint, so redet ein Präsident nicht. Belgien! Das ist nicht mal auf der Landkarte. Auf meiner jedenfalls nicht.
Ah, endlich der Einmarsch der Nationen, wurde aber auch Zeit, meine Füße fühlen sich an wie Nord- und Südpol zusammen. Was schwenken die eigentlich alle unser Fähnchen? Die sind doch gar nicht wir. Wenn sie glauben, dass sie damit eine Green Card kriegen, haben sie sich aber geschnitten. Hey, da ist was schief gelaufen. Ist das nicht dieser verdammte Iran? Ich dachte, die hätte ich vergrault? Achse des Bösen und so. Aber das scheinen taffe Burschen zu sein, alle Achtung. Muss ich noch mal mit Colin und Rumsbums drüber reden.
Ein Glück, da kommen schon wir. Dann ist der Zauber hoffentlich gleich vorbei. Ich eröffne den Rummel, bisschen Feuerwerk und ab in die Koje. Was denn jetzt? Lauraaaa! Kulturprogramm, ich fasse es nicht. Auch noch lauter Indianer. Wozu haben wir die eigentlich ausgerottet? Und die Pferde aus Pappe, wusste gar nicht, dass die Organisatoren hier dermaßen pleite sind. Ach, Kunst soll das sein? Danke Laura, muss einem ja gesagt werden.
So, da kommt endlich der Olympiabelgier mit diesem geschniegelten Mormonenheini, dann kann es nicht mehr lange dauern. Und da ist mein PR-Berater. Wo soll ich hin? Zu unseren Sportlern? Ist der wahnsinnig? Das sind doch Kids. Die nehmen Drogen, demonstrieren den ganzen Tag, und wenn sie dann noch Zeit haben, richten sie Massaker in ihren Schulen an. Was? Fröhliche, nette, patriotische Teenager, die ihren Präsidenten verehren und in den nächsten zwei Wochen ganz viel Gold für die USA und gegen den Terrorismus gewinnen wollen? Das klingt gut. Da wird Ussama schäumen. Und wenn wir ihn dann schnappen, gehe ich hin und frage ihn: Na, du Teufel, und wo sind deine Goldmedaillen? Wow, das wird ein Auftritt!
Na, gut, dann wollen wir mal. Hier bin ich, Folks, verehrt mich! Hey, die mögen mich wirklich. Ist ja fast wie bei den Empfängen von diesen europäischen Politikern, die schleimen genauso um mich rum. Ah, ich bin dran. Spiele eröffnen. Abgang. Danke schön. Was? Noch mehr Gesinge. In Gottes Namen, dann also auch noch Sting. Aber ich habe ja sogar diesen irischen Schluchtenjodler Bongo bei der Super Bowl überlebt. Ist das nicht der Spielberg da unten mit der Kringelfahne? Seit wann treibt der Sport? Nettes Mädchen, die Göre neben mir, kenne ich irgendwie aus dem Fernsehen. Aber was soll ich mit dem Telefon? Mit deiner Mom telefonieren? Das geht zu weit, verschwinde, du Schabracke! Oh, Scheiße, die Kameras! Mom? Ja, hier ist der Präsident, alles easy? Danke, gut, bisschen kalt. Lange Unterhosen? Hab ich. Ja, danke, bye – oh, Mann.
Sieh da, sieh da, die Eishockey spielenden Antikommunisten von 1980. Kenne sogar ich. Hatte schon befürchtet, dass wieder dieser klapprige Boxer kommt. Dann stünden wir morgen noch hier. Endlich, die Flamme brennt. Jetzt wird sich verpisst. Lauraaaa!!!?
MATTI LIESKE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen