Transrapid: Der Zug ist abgefahren

■ Bremen, Hamburg und Niedersachsen machen sich in Wahlkampfzeiten für den Schwebeflitzer nach Amsterdam stark – an die Realisierung glauben tut indes kaum jemand

Das ist ein guter Zug, hoffen die Technikfans und Industriepolitiker in Bremen, Hamburg, Hannover und den Niederlanden. Der Hanse-Transrapid ist ein Milliardengrab – und wird deshalb auch nie gebaut, versichern Verkehrsexperten aus Verbänden und Verwaltung. Zwischen Amsterdam, Groningen, Bremen und Hamburg soll der Turbozug laut Planerträumen in gut zehn Jahren flitzen. Von der Elbe zur niederländischen Hauptstadt in zwei Stunden und vier Minuten (fünf Stunden und 12 Minuten auf der Schiene), von Hamburg zum Transrapid-Bahnhof am Bremer Autobahnkreuz bei Mahndorf in nur 15 Minuten. Vorsichtige Kostenprognose: Gut zehn Milliarden Mark allein für die Strecke Hamburg – Groningen.

Klappern gehört zum Handwerk. Deshalb tun die Länderchefs Ole von Beust (CDU), Henning Scherf (SPD) und Siegmar Gabriel (SPD) in Wahlkampfzeiten so, als ob sie sich ernsthaft für den Superzug einsetzen wollten. Wie einst Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) im Wahljahr 1998 noch flugs die später totgesagte Strecke Hamburg – Berlin spatenstichte.

Hinter hanseatischen Kulissen längst klar: Der Transrapid-Zug für Europa – und damit auch für den Norden – ist abgefahren. Viel zu teuer, zu aufwändig, letztlich nicht ökologischer als die Eisenbahn. Und das Hauptargument der Planer: die Schwebetechnik habe als Einzellösung im immer besser ausgebauten europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz auf der Schiene keine Chance.

Aber wir stehen kurz vor einem Urnengang. Selbst die niedersächsischen Grünen lehnen den Transrapid nicht rundheraus ab. Die Realisierung steht eh in den Sternen: Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) hat längst abgewunken – die zwei angedachten Stre-cken in München und im Ruhrgebiet hätten Vorrang. Und dennoch machte sich eine Drei-Länder-Arbeitsgruppe unverdrossen ans Werk um auszuloten, ob sich der Superzug nicht vielleicht doch rentiert.

Was folgt, sind Halbherzigkeiten: Gerade 250.000 Euro sind für eine „Marktanalyse“ veranschlagt. Viel zu wenig für eine aussagekräftige Expertise, meinen Experten. Produziert werden dürfte also nichts als ein Papier, um die Diskussion wenigstens bis zum Sommer nächsten Jahres in Gang zu halten: Dann nämlich wollen die Niederländer entschieden haben, ob sie für die Anbindung des strukturschwachen nordfriesischen Raums an den deutschen Schwebezug denken. Nur wenn Amsterdam zusagt, wird sich hierzulande überhaupt an die konkrete Planung gemacht, heißt es.

„Ich halte den Hanse-Transrapid für eine große Werbesause“, bestätigt Michael Frömming vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Wichtiger sei der Ausbau einer attraktiven Schienenverbindung zwischen Hamburg und Amsterdam – zurzeit müssen Holland-Bahnfahrer aus Bremen wegen Bauarbeiten in den Bus umsteigen oder den Umweg über Münster in Kauf nehmen.

Außerdem stelle sich die Frage, wer den Transrapid im struktur- und bevölkerungsschwachen Norden überhaupt nutzen solle. „Wo soll das Ding halten?“, fragt Frömming provokant. „In Ochthold oder Westerstede?“ Tatsächlich sind auf deutscher Seite noch Stopps in Leer und Oldenburg vorgesehen.

Nichtsdestotrotz wird der Schwebeflitzer in Niedersachsen schon heftig umkämpft. CDU-Fraktionschef Christian Wulff warf der Landesregierung riesige Versäumnisse beim Zunkunftsprojekt vor. Deshalb kämpften jetzt Bayern und Nordrhein-Westfalen um 2,3 Milliarden Transrapid-Euros – und nicht die Nord-Länder.

Ernsthaft glauben dürfte selbst Wulff nicht an den Stelzenzug. „Wer nach genauen Zahlen fragt, will den Transrapid nicht wirklich“, heißt es aus der Landesregierung in Hannover. Die Zahlen sprechen nämlich eine deutliche Sprache gegen den Transrapid. Laut einer internen Prognose der Bahn dürften im Jahr 2015 gerade mal 6,2 Millionen Fahrgäste den Sausezug zwischen Hamburg und Amsterdam benutzen. Das bringe Fahrkartenerlöse in Höhe von knapp 200 Millionen Mark.

„Welcher private Investor will sich das bei den Kosten antun?“, fragt Rolf Kreibich vom Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT). Der Transrapid Berlin-Hamburg war im Jahr 2000 bei weit besseren Prognosen auf Eis gelegt worden. Zuletzt sollten 12 Millionen Passagiere den Stelzenzug pro Jahr benutzen. „Und diese Zahlen waren schon frisiert“, betont Kreibich. Der Verkehrsforscher hatte damals vehement gegen den Transrapid Stellung bezogen. Und Kreibich sagt noch heute: „Der Transrapid ist eine Fata Morgana für Europa. Das ist eine tolle Technik, die hier aber 30 Jahre zu spät kommt.“ Und auch die Niederländer wüßten, dass ein völlig neues Verkehrssystem die Menschen kaum zum Umsteigen bewegen würde. Kreibich: „Das ist nichts als Prestigepolitik, die sich die Politiker ans Revers heften wollen.“ Kai Schöneberg