piwik no script img

Arche Noah de luxe

■ Noch mehr „Klänge des Inneren Auges“: Merce Cunningham

Künstler, die nur an einer Baustelle arbeiten, gibt es kaum. Das Hauptwerk hat seine Nebenprodukte, die Konzentration auf eine Sache fordert einen kreativen Nebenschauplatz. In der Hauptsache ist der Amerikaner Merce Cunningham ein Mann des Tanzes. Zwischen 1939 und 1945 war er Mitglied der Martha Graham Dance Company, 1953 gründete er seine eigene Dance Company und machte gemeinsame Sache mit seinem Freund John Cage: Cage feierte am Klavier den musikalischen Zufall und Cunningham entwickelte dazu Choreographien, die die Tanzwelt dazu brachte, sich zu drehen.

In den 1960er Jahren ging er weltweit auf Tournee und legte künstlerisch nach, indem er für die Ausstattung seiner Aufführungen bildende Künstler engagierte wie Robert Rauschenberg oder Jasper Johns. Cunningham brachte den Tanz zusammen mit der Pop-art und mit dem Happening. Soweit das Hauptwerk, dem die Veranstaltungsreihe „Body & Bytes“ des Deutschen Tanzfilminstituts in Bremen ab Mitte März kräftig Tribut zollen wird.

Um Cunninghams künstlerische Nebenproduktion seit Mitte der 1980er Jahre kümmert sich derweilen die Kunsthalle. Des Künstlers Chill-Out-Werke sind Tier- und Pflanzenzeichnungen, bunt, ohne Titel. Es sind lustige Zeichnungen, eine Eule etwa, die dem Betrachter zuzwinkert oder ein Büffel mit grünen Ohren und roten Hörnern. Als wär's das Personal eines Arche-Noah-Comics de luxe.

Außerdem zeigt die Ausstellung im Kupferstichkabinett zwei Cunninghm'sche Tanzpartituren, die deutlich machen: Der Künstler hat seine eigene, von anderen nicht zu enträtselnde Art der Notation gefunden. Und da ist es konsequent und erfreulich, dass die Ausstellung das Rätsel löst, indem sie die dazugehörigen Performances als Videodokumentationen präsentiert.

Über den Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebenwerk lässt sich feststellen: Cunninghams Tanzkunst ist inspiriert von Natur- und Tierbeobachtungen, seine zeichnerische Kunst zeigt Tiere und Pflanzen. Eins kommt zum andern. Oder kommt das andere zum Einen? Klaus Irler

Die Ausstellung wird heute um 17.30 Uhr eröffnet. Im Anschluss beginnt – im Rahmen des Festivals „Klänge des Inneren Auges“ – die Aufführung der „Vexations“ von Erik Satie: 50 PianistInnen spielen in 18 Stunden die 840 Wiederholungen der Vexations – angepeiltes Ende: Samstag um 12 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen