Mammutverfahren Flughafenbau

Renitente Gemeinden behindern Sachverständige. Rund 45.000 Bürger haben Einwendungen gegen den Bau einer neuen Landebahn am Frankfurter Flughafen geltend gemacht. Aber wird sie angesichts sinkender Zahlen überhaupt noch gebraucht?

aus Fankfurt/Main KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Der Ausbau des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens ist eigentlich beschlossene Sache. Schon 2006 sollen dort auf einer neuen Rollbahn die Flugzeuge landen; so jedenfalls die Prognose der Flughafenbetreibergesellschaft Fraport AG vor knapp zwei Jahren.

Doch so schnell wird es wohl nichts werden mit dem in der Region nach wie vor heftig umstrittenen weiteren Flughafenausbau. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) jedenfalls, der in Personalunion auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der Fraport AG ist, will sich dereit nicht mehr auf einen Zeithorizont für die Realisierung der Ausbaupläne festlegen lassen. Denn es ist noch nicht einmal das Raumordungsverfahren abgeschlossen, das einem eventuellen Planfeststellungsbeschluss für den Landebahnbau vorausgeht .

Die renitenten Städte und Gemeinden im Flughafenumfeld, die den Ausbau im Interesse ihrer heute schon fluglärmgeplagten Bürger mit allen Mitteln verhindern wollen, verweigerten den Sachverständigen der Fraport AG monatelang den Zugang zu ihren Waldgebieten rund um den Flughafen. Und auf den Katasterämtern wurde das Kartenmaterial weggeschlossen. Die Fraport AG musste erst vor die Verwaltungsgerichte ziehen, um die notwendigen Unterlagen für das Raumordungsverfahren erstellen und beim Regierungspräsidenten in Darmstadt einreichen zu können.

Im April soll jetzt der vorgeschriebene Erörterungstermin dazu stattfinden. Ein in Deutschland bislang einmaliges Mammutverfahren von ungewisser Dauer kommt da auf die kleine Behörde zu. 45.000 Bürger – alle mit Anhörungsrecht – haben Einwendungen geltend gemacht. Dazu kommen 205 Stellungnahmen von Kommunen und Verbänden; allein die Stellungnahme der Stadt Rüsselsheim umfasst 400 Seiten. Viel Lesestoff also für den Regierungspräsidenten.

Unterdessen kommt Druck auf den Ausbau auch von einer ganz anderen Richtung. Nicht nur die Grünen, die als einzige im Landtag vertretene Partei die Ausbaupläne bekämpfen, wiesen in dieser Woche darauf hin, dass sich die Rahmenbedingungen für den Bau einer neuen Landebahn bei Kelsterbach – die von Koch favorisierte Nordvariante – in den letzten Monaten dramatisch verändert haben. So habe sich die Zahl der Flugbewegungen auf Rhein-Main seit den Terroranschlägen in den USA erheblich verringert. Im Gegenzug wachse die Bedeutung des auch von der Fraport betriebenen Regionalflughafens Hahn bei Charterflügen und bei der Luftfracht. Im Billigflugsektor sei Hahn sogar schon die Nummer eins unter den Flughäfen in Deutschland, musste auch der Landes- und Fraktionsvorsitzende der hessischen Sozialdemokraten, Gerhard Bökel, konstatieren.

Ist die neue Landebahn also verzichtbar geworden? Für Koch und für Gerhard Bökel noch nicht. Auch die Fraport AG hielt dagegen: Es gehe auf Rhein-Main wieder aufwärts, vermeldete der Flughafenbetreiber kühn; tatsächlich aber verringern sich nur die Rückgänge der Passagierzahlen im Vergleich mit den Monaten gleich nach den terroristischen Attacken in den Staaten.

Bökel wie auch die Regionsversammlung Südhessen warfen der Fraport AG ebenso vor, sich bei der Erstellung der Unterlagen nicht an die Vorgaben der Mediatoren gehalten zu haben. Bökel monierte insbesondere, dass die Flughafenbetreiber das von den Vermittlern erarbeitete verbindliche Lärmschutzkonzept nicht hinreichend berücksichtigt hätten.

Auch andere „Diskrepanzen gegenüber dem Mediationsergebnis“ schürten Misstrauen, konstatierte der auch ausbauwillige Bökel verärgert. Auch Regierungspräsident Gerold Dieke (FDP) musste am letzten Dienstag einräumen, dass er in den 16 eingereichten Ordnern der Fraport AG „Widersprüche entdeckt“ habe. Einen vorzeitigen Abbruch des Verfahrens lehnte Dieke allerdings ab. Die Widersprüche könnten ja im April auf dem Erörterungstermin zur Sprache kommen.