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Es ruckt so langsam

Dank der Neuverpflichtung Davide Rebellin ist das Team Gerolsteiner endlich in der Königsklasse des Radsports dabei. Nun muss man sich nur noch daran gewöhnen, nicht mehr nur mitrollen zu können

In Südfrankreich musste Rebellin erfroren und vorzeitig vom Rad steigen

von JÖRG FEYER

Christian Henn weiß noch, wie das war. Wenn die ersten Erfolge schon früh in der Saison für „gute Stimmung“ sorgten, in der Mannschaft eine Euphorie auslösten, die sie weit übers Frühjahr hinaus tragen konnte. Der ehemalige Telekom-Profi kann sich aber auch an frühe Jahre bei seinem alten Arbeitgeber erinnern, „da hatten wir vor dem 1. Mai schon zwei oder drei große Krisensitzungen hinter uns“.

Nun kann von Krise beim Team Gerolsteiner noch nicht die Rede sein. Doch nach Wunsch verlaufen ist der Saisonauftakt für die neue deutsche Mannschaft in der GS1 geheißenen, ersten Gruppe des Profiradsports auch nicht gerade. Henn, inzwischen Sportlicher Leiter bei Gerolsteiner, spricht realistisch von „so Mittelmaß bisher“. Tiefpunkt in jeder Beziehung war zweifellos die Mittelmeer-Rundfahrt Mitte Februar: Nach einem Temperatursturz musste Vorjahressieger Davide Rebellin in Südfrankreich bei zwei Grad und Regen „erfroren“ (Henn) und vorzeitig vom Rad steigen. Inzwischen hat sich der 30-jährige Italiener, dessen gut 2.000 Punkte als Weltranglistendritter Team Gerolsteiner den Aufstieg in die Königsklasse des Radsports erst ermöglichten, wieder erwärmt. Neulich in Lugano sprintete er schon mal auf den zweiten Platz.

Ab morgen steht Rebellin nun bei einem renommierten Rennen am Start, welches er 2001 ebenfalls gewinnen konnte – und damit erstmals in dieser Saison richtig unter Zugzwang im neuen Gerolsteiner-Trikot. Tirreno-Adriatico gilt traditionell als „sehr umkämpft“, so Christian Henn. Zumal für die heimischen Profis die einwöchige Rundfahrt der schweren Hors Categorie oft die letzte Chance ist, sich mit oder in ihren Sportgruppen noch für den Giro d’Italia im Mai zu empfehlen. Auf die Unterstützung eines wertvollen Helfers muss Rebellin dabei leider verzichten. „Magenprobleme“ und „noch nicht richtig in Schwung“ vermeldet Christian Henn für Tobias Steinhauser, der im letzten Jahr als Neunter im Gesamtklassement bei Paris–Nizza geglänzt hatte (und danach mit Pfeifferschem Drüsenfieber ganz abgetaucht war). Beim fast parallel laufenden „Rennen zur Sonne“, das letzten Sonntag startete, wäre die Velo-Werbekolonne des Sprudelfabrikanten aus der Eifel auch in diesem Jahr gern gestartet. Doch eine Einladung blieb aus, was schon als „Enttäuschung“ (Team-Manager Hans-Michael Holczer) gewertet wurde.

Dass die Nichtberücksichtigung ein Indiz dafür sein könnte, dass Gerolsteiner mit der teuren Verpflichtung Rebellin zwar potenziell Profil gewonnen hat, für manche Veranstalter aber einfach unattraktiver geworden ist, wenn der gerade andere Prioritäten setzt, will Christian Henn gar nicht in Abrede stellen. „Das ist schon ein Problem“, bestätigt der Sportliche Leiter. Man sei halt noch nicht so weit wie Telekom, die „einen Jan Ullrich da und Erik Zabel dort fahren lassen können“. Man hätte aber auch, gibt sich Henn ganz realistisch, „keine Mannschaft gehabt, um bei Paris–Nizza vorne mitzufahren“.

Was aber definitiv die Gerolsteiner-Devise für Tirreno-Adriatico ist. Und nicht nur das: Vom Top-Profi Davide Rebellin verspricht sich Gerolsteiner nicht nur gute Resultate und eine führende Rolle im Weltcup, der von März bis Oktober öffentliche Präsenz garantiert. Der Italiener mit Wohnsitz in Monte Carlo soll auch den begehrten „Sogeffekt“ (Holczer) für die ganze Mannschaft bringen, ganz im Stile von Bjarne Riis 1996 bei Team Telekom. Henn war damals noch unmittelbar neben dem Tour-de-France-Sieger im Sattel und in Magenta dabei. Und weiß deshalb, dass es da nicht nur um eine rein atmosphärische Größe geht. „Das kann man schon greifen“, sagt der Kurpfälzer. Und fantasiert sich kurz in die Mannschaftsbesprechung für den Weltcup-Auftakt am übernächsten Wochenende, wenn eins der großen Saisonziele für Rebellin ansteht. „Wenn wir letztes Jahr Mailand–San Remo gefahren wären, hätte es geheißen: Na, schaut mal, wie ihr mitkommt, vielleicht kann einer im Finale dabei sein! Jetzt ist Davide Rebellin ganz klar der Kapitän, dem sich die anderen unterordnen müssen. Da ist mehr Linie drin. Und die anderen Fahrer können in ihren klaren Aufgaben dann auch wachsen, wenn sie etwa Löcher zufahren müssen, um Davide wieder ranzubringen. Vorher haben wir die großen Mannschaften halt machen lassen.“

Jetzt müssen sie selbst was machen. Letztes Wochenende in Belgien lief es „erstmals richtig gut“. Christian Henn will sogar den berühmten „Ruck“ ausgemacht haben, der „so langsam durch die Mannschaft geht“. Tirreno-Adriatico dürfte anzeigen, wie weit er Gerolsteiner im ersten GS1-Jahr noch bringen kann.

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