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Der Verlust des Realitätsbezugs

betr.: „Ich habe mich nicht verkauft“, taz vom 16. 3. 02

PazifistInnen, liebe Claudia Roth, sind Menschen, die den Einsatz von militärischer Gewalt als Mittel der Politik grundsätzlich ablehnen. Ob sie dies politisch, religiös oder ethisch begründen, ist hierbei zweitrangig. Wer das Verletzen und Töten von Menschen außerhalb direkter Notwehrsituationen für politisch legitim hält, ist kein(e) Pazifist(in).

Ja, es gibt einen Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan unter UNO-Mandat (zum Schutz der Übergangsregierung in Kabul), aber es gibt bekanntlich noch einen zweiten, den von 100 Soldaten der Krisenreaktionskräfte unter US-Befehl irgendwo im Gebirge, und der findet ohne UNO-Mandat statt. Schade, dass die taz-Interviewer hier nicht nachgehakt haben. Ein UNO-Einsatz, der Soldaten letztlich mit polizeilichen Aufgaben beauftragt, ist das eine – ob Polizisten dafür nicht besser geeignet wären, sei dahingestellt –, ein Krieg der USA, in dem, nach in der taz veröffentlichten Zahlen, bereits mehr Zivilpersonen getötet als bei den Anschlägen des 11. September umgebracht wurden, ist jedoch etwas völlig anderes. Eine Politikerin, die dies nicht zur Kenntnis nimmt, sollte tatsächlich nicht zu den „Realos“ gezählt werden – dieser Ausdruck suggeriert ja einen gewissen Bezug zur Realität.

UTE FINCKH, Berlin

Zwar sind Titel und Artikel über Claudia Roth fairer als eure Bild-zeitungsmäßige Gurkenüberschrift von damals, dennoch empfinde ich den durchweg aggressiven und provozierenden Fragestil als unangebracht. Mir kommt das vor wie der Besserwisser-Stil des frühen Spiegel.

Ihr drängt Claudia Roth immer in die Verteidigungsposition. Wie soll eine Politikerin da offen über Chancen, Kompromisse, Gedanken zur Politik reden? Kompliment an Claudia Roth für ihr „Standing“ und ihre Ehlichkeit, so weit es der Fragestil überhaupt zulässt. SUSANNE SIRRINGHAUS, Hattingen

betr.: „Grüne mit Gewalt für den Frieden“, „Die Grünen – Partei des etwas aufgeschlosseneren Bürgertums“, taz vom 18. 3. 02

Den meisten Grünen, vor allem an der Spitze der Partei, scheint das Herz in die Hose gerutscht zu sein. Es gibt keine politischen Visionen mehr; die Fantasie entlässt ihre Kinder! Seit gestern hat sich die Partei der Grünen endgültig überflüssig gemacht und verhält sich wie die FDP, nur an Pöstchen und Machterhalt orientiert, ohne klares programmatisches Konzept. Ich wünsche mir, dass die Partei wieder mehr Kontur gewinnt, den Mut hat, wieder quer zu denken, um auch unbequeme Themen verstärkt in die öffentliche Diskussion zu bringen. THOMAS PRÖMPERS, Bonn

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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