■ „Wir sollten dem Vorschlag aus Saudi-Arabien Unterstützung geben.“ LeserInnen zum Israel-Palästina-Krieg
: Wer stoppt Scharon?

betr.: „Bush fordert Rückzug Israels“ u. a., taz vom 5. 4. 02

Die Europäer behaupten ja immer, sie hätten keine großen Einflussmöglichkeiten auf Israel. Sicher sind diese im Gegensatz zu den USA auch begrenzt. Trotzdem müssen wir Europäer uns nicht alles bieten lassen. Vielleicht hat Herr Scharon es ja auch vergessen: Europa kann auf israelische Handelswaren verzichten, der Flugverkehr bricht auch ohne die El Al nicht zusammen, ebensowenig wie die europäische Wirtschaft ohne den israelischen Absatzmarkt, israelische Konten in Europa könnten wesentlich schlechtere Konditionen erfahren. Dies alles könnte man ihm ja zumindest mal sagen.

Das eigentlich Tragische an diesem Konflikt ist, dass sich hier die Feindschaft alter verbohrter Fanatiker ausleben kann, die beide ihre jeweiligen Völker in kollektive Mitverantwortung zwingen. Beide wissen, dass ihre Lebenszeit begrenzt ist. Umso mehr scheinen beide alles daran zu setzen, dass ihr Hass sie selbst überleben wird. Beide Seiten erschießen gegenseitig ihre Kinder oder ermorden sie mit Hilfe so genannter Märtyrer, oft sind diese Mörder selbst noch Kinder. Wie viel Menschenverachtung muss dazu gehören, um als Soldat auf Kinder zu schießen. Wie viel Menschenverachtung muss dazu gehören, junge Palästinenser mit Sprengstoff beladen in israelische Diskotheken, Restaurants oder Busse zu schicken, um sich dort in die Luft zu sprengen. Für mich haben sich beide Nationen, auch die israelische, aus der Reihe der zivilisierten Nationen verabschiedet. THOMAS GEZECK, Kiel

Als Jude sage ich zu Israel: Was ihr den Palästinensern antut, tut ihr nicht im Namen der Juden. Ich kann nicht länger still sein. Was Israel jetzt macht, ist falsch. Was die Palästinenser machen, sind Verzweiflungstaten von Menschen ohne Hoffnung und ohne Zukunft. Es ist das, was Menschen tun, die so lange unter einer Besatzungsmacht gelebt haben.

Als Bewohnerin Deutschlands sage ich: Deutschland darf wegen des Dritten Reichs nicht blind, sondern muss kritisch gegenüber Israel sein. Als Amerikanerin und EU-Bewohnerin sage ich: Keine Waffen mehr nach Israel! Die internationale Gesellschaft soll Israel als Krieg führendes Land nicht länger unterstützen.

Wir haben gerade das jüdische Passahfest gefeiert. Beim Passah feiern wir die Flucht aus Ägypten. Das Passahbuch (Hagada) erklärt, dass wir nie vergessen sollen, dass wir einmal Sklaven waren und oft in unserer Geschichte unterdrückt wurden. Die Juden müssen sich gerade heute daran erinnern und dürfen nicht der Grund für die Unterdrückung anderer sein.

Wir sollten dem Vorschlag aus Saudi-Arabien volle Unterstützung geben. Dass die Palästinenser endlich ihr Land von vor dem Krieg 1967 bekommen. Dass Israel endlich Anerkennung und Frieden von den arabischen Ländern bekommt. Was könnte eine schönere Zukunft sein? STACEY BLATT, Duisburg

betr.: „Israel brüskiert EU-Delegation“, taz vom 5. 4. 02

Ein interessantes Phänomen lässt sich zur Zeit in der öffentlichen Debatte zum Nahost-Konflikt beobachten, und es findet seinen Niederschlag auch in den aufgeregten Diskussionen der taz-Foren.

Während sich früher meist die arabische Seite in halbstark anmutendem Kampfgeschrei übte und eine Rhetorik pflegte („Israelis ins Meer werfen usw.“), die auf Grund ihres fehlenden Bezuges zur Realität weltweit nur Kopfschütteln oder bestenfalls Mitleid auslöste, hat sich das Bild heute gewandelt. Wer heute die undankbare Aufgabe wahrnehmen muss, die militaristische israelische Regierungspolitik zu verteidigen, tut dies meist mit einer Aufgeregtheit und ideologischen Verbohrtheit, die den vorgetragenen Argumenten von vornherein jede Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft nimmt. Die arabische Seite hat dagegen verstanden, dass das expansive und aggressive israelische Vorgehen ihnen letztendlich in die Hände spielt.

Natürlich wird Scharon seinem Land und seinem Volk keine Sicherheit bringen. Und in dem Moment, in dem die amerikanische Administration ihrem lethargischen Präsidenten klar gemacht hat, dass amerikanische Interessen in der Region und weltweit massiv gefährdet sind, wird die amerikanische Untätigkeit enden. Zu hoffen bleibt, dass die peinliche Abfuhr, die Scharon den Europäern erteilte, Konsequenzen zeitigt. Vom deutschen Außenminister Fischer – wie immer, wenn es lebhaft wird – nichts zu sehen und zu hören. Wahrscheinlich ist es nicht, aber es besteht immerhin eine kleine Chance, dass auch wir Deutsche uns einmal fragen, wie eine vernünftige Wahrnehmung deutscher und europäischer Interessen eigentlich aussehen müsste. TARIK TELL, Bonn

betr.: „Besuch für Jassir Arafat“ u. a., taz vom 6. 4. 02

Es ist schon sehr merkwürdig, wie zögerlich Amerika und wie uneinig Europas Außenpolitik auf Scharons Panzerkrieg reagieren. Die De-facto-Okkupation der ehemals autonomen Gebiete in Gaza und im Westjordanland durch israelische Truppen ist ein Affront gegen alle Bemühungen, endlich eine halbwegs vernünftige Lösung für diesen immer währenden Glutherd der Gewalt zu finden. Es drängt sich der schlimme Verdacht auf, dass Scharon den Frieden gar nicht will.

Vielmehr scheint die völlige Zerschlagung der palästinensischen Infrastruktur das Nahziel, und die Fortsetzung der illegalen Siedlungspolitik das mittelfristige Ziel der Politik der aktuellen israelischen Führung zu sein. Das ist keine zukunftsträchtige Strategie, das sät nur neuen Hass und neue Gewalt. Die Spirale dreht sich weiter.

Müssten nicht die Europäer und auch die deutsche Außenpolitik endlich eingreifen? Wenn Bush weiter zögert, wer stoppt dann Scharon? NORBERT FASCHING, Gärtringen

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.