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Der Real-Schreck

Immerhin Exbayer Patrick Andersson kann mit dem FC Barcelona seinen Champions-League-Titel verteidigen. Heute geht es gegen Real – ohne ihn

aus Barcelona RONALD RENG

Er traut ihm noch nicht, wie er daher hoppelt. Er lässt ihn auf sich zukommen – und tritt dann vorsichtig, geradezu skeptisch gegen den Fußball. Letzten Mittwoch war nach achtwöchiger Verletzungspause Patrick Anderssons erster Trainingstag mit dem Team des FC Barcelona.

Es ist eine einmalige Saison für den Kapitän der schwedischen Nationalelf, eine einzigartig leidige. „Ich glaube, ich hole mir alle Verletzungen meiner Karriere in diesem einen Jahr“, vermutet der 30-Jährige. Als er im zurückliegenden Sommer für 8,2 Millionen Euro Ablöse vom deutschen Meister Bayern München nach Spanien wechselte, brachte er aus neun Jahren Bundesliga nicht nur den Ruf mit, einer der standhaftesten Verteidiger Europas, sondern auch unverletzlich zu sein. Fünf Sportunfälle durchlebte er seitdem. Die Ehrung zu Schwedens Fußballer des Jahres 2001 etwa nahm er im Januar mit erschüttertem Gehirn entgegen. Über einen Monat pausierte er wegen jenem Schädeltrauma, wurde Mitte Februar erstmals wieder eingewechselt – und zehn Minuten später mit zwei durchrissenen Innenbändern im linken Knie ausgetauscht. Das heutige Halbfinal-Hinspiel in der Champions League gegen Real Madrid wird er wohl noch aussitzen müssen.

Doch niemand in Spanien kann diesem geschichtsbeladenen Spiel entkommen, auch Andersson nicht, der sagt, er lebe im Tunnel: „Ich schaue nur nach vorne, einzig darauf konzentriert, dass ich wieder fit werde.“ Aber ein bisschen von dem Wirbel um Barça gegen Real, Katalonien gegen Spanien, Eigensinn gegen Hochmut, ist auch durch seine selbst errichteten Schutzwände gedrungen. Der Glaube, die eleganteste Elf der Welt zu haben, gegen die Meinung, das beste Team der Galaxis zu sein. „Es gibt kein vergleichbares Spiel“, sagt Andersson.

Er selbst wurde im allgemeinen Trubel von dem parteiisch aufs Barças Seite stehenden Fachblatt El Mundo Deportivo als „der Mann, der keine Niederlage gegen Real kennt“ vorgestellt. Dass dies auch daran liegt, weil er wegen der Verletzungen mit Barça noch nie gegen Madrid spielte, stand nur im Kleingedruckten. Alle Fakten werden herausgekramt, die Mut machen sollen. Allein, es finden sich nicht viele: Fünfter ist die Elf in der Landesmeisterschaft. Woran es liegt, dass man trotz Könnern wie Luis Enrique oder Patrick Kluivert chronisch launisch spielt, will kaum jemand im Verein sehen. Dabei ist es für einen wie Andersson, der in München in einer echten Siegerelf arbeitete, offensichtlich: „Der Unterschied ist: Bei Bayern verteidigen elf Spieler“, sagt er. Deutlicher kann ein vorsichtiger Interviewpartner wie er nicht werden. Barça müsse immer stürmen, sagen sie in Barcelona, Barça müsse schön sein. Aber, und da wird Andersson richtig laut, „frag’ doch den mal, wie Frankreich Weltmeister wurde“: Er zeigt auf Barcas französischen Verteidiger Philippe Christenval, der zufällig vorbeikommt. „Die Franzosen spielen auf Angriff, aber bei Ballbesitz des Gegners verteidigen alle – alle!“ Er verstummt, als sei er selbst erschrocken.

Wenn Andersson, zu dessen Qualitäten das Organisieren des Spielsystems gehört, nicht verletzt war, schien sein Nebenmann Frank de Boer seinen Befehlen nur widerwillig zu folgen. Und vor ihm im Mittelfeld interpretierten Rivaldo und Kollegen ihre Rolle im Defensivsystem äußerst freizügig. „Es ist schwierig, mit unserer Spielweise auf Dauer Erfolg zu haben“, sagt Andersson.

Trotzdem war Barça das Angebot, auf das er gewartet hatte. Finanziell exzellent und ein kleiner Traum war es auch: einmal bei einem großen Verein im Süden spielen. München ist schon Vergangenheit, nur mit Stefan Effenberg, den er einen Freund nennt, telefoniert er noch öfters.

Als Patrick Andersson wenig später nach Hause fährt, kann er Barça gegen Real schon sehen: die Vorfreude. Scharen von Fans, die seinem Auto hinterher schreien. „Im Rückspiel dabei zu sein, wäre mein Traum“, sagt er. „Es gibt kein größeres Match. Das interessiert jeden vom kleinsten Hund bis zum ältesten Mann.“

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