: Klassische Kuppel-Artisten
■ Mit dem Zirkus Busch-Roland ist endlich wieder jener Zirkus in der Stadt, der einen Strang seiner Wurzeln in Bremen hat. Heute kommen die Stars aus Russland
Der Clown macht die uralte Nummer mit dem Notenpult. Tausendmal gesehen, doch dann hört man laut und triumphierend ein Kind rufen: „Der muss das doch festschrauben, ist der doooof!“ Spätestens nun wird einem bewusst, dass mindestens ein Drittel des Publikums noch nie einen Clown mit Ständer und Papier hat kämpfen sehen, ja dass viele hier sogar ihren ersten Clown live erlebten. Bei der Premiere von Busch-Roland auf der Bürgerweide am Mittwochabend waren nur wenige Erwachsene ohne Kinder gekommen, und nicht nur die waren offensichtlich schwer begeistert vom klassischen Programm, das hier geboten wurde. Riesige Elefanten und schöne, wilde Tiger machen Männchen. Schöne Frauen verbiegen ihre Glieder und balancieren furchtbar hoch auf den Köpfen von starken Männern. Ein elegantes Paar zeigt die Dressur mit Araberhengsten und die kleine Tochter darf schon ein wenig mitreiten. Unter der Zirkuskuppel schlingen sich zwei Artistinnen anmutig um das Ringtrapez ...
All das wird wohl 1963, als der Bremer Zirkus Roland mit dem Konkurrenten Busch aus Berlin fusionierte, kaum anders ausgesehen haben. Ach ja, die Kostüme der Damen hätten wohl damals nicht ganz so aufreizend deren Pobacken enthüllt, aber ansonsten wird hier guter alter Zirkus präsentiert. Der modische Schnickschnack mit Higtech-Akrobatik, modischer Bühnenshow und vorfabrizierter Musik ist scheinbar wieder passé. Bei Busch-Roland spielt ein achtköpfiges Zirkusorchester aus der Ukraine, und das vermittelt halt ein ganz eigenes Livegefühl, gerade weil der Schlagzeuger vielleicht mal eine halbe Sekunde zu spät rasselt, wenn der Clown auf die Nase fällt. Einen der größten Lacher hatte ohnehin einer der Elefanten, der in der Manege etwas fallen ließ, das zwei Requisiteure dann flugs mit Schaufel und Kelle aufsammelten. Jeder Zirkusmacher weiß, dass solche kleinen Malheure das Publikum am meisten amüsieren, und der Jongleuse fielen natürlich auch prompt mehrmals die Keulen herunter.
Solch ein Zirkus ist ein hochkompliziertes Gesamtkunstwerk, und wahrscheinlich war der künstlerische Leiter Oliver Geier-Busch gut beraten darin, ihn ohne Stilbrüche in seiner so langsam organisch gewachsenen Form zu präsentieren. Da wirkt dann auch einiges antiquiert, etwa die übertriebenen Gesten und tänzerischen Schritte, die einige Artisten zwischen ihren Kunststückchen schauspielern. Natürlich muß das Lächeln auch noch in der letzten Parkettreihe zu sehen sein, aber viele von diesen Standardbewegungen wirkten so künstlich und übertrieben, dass man die Artisten in manchen Augenblicken dann nicht mehr als schöne, geschickte Menschen ansah, die interessante Sachen machen, sondern als ebenso dressiert wie die Tiere.
Pressesprecher Harald Ortlepp schreibt das der Tradition der russischen Artistenschulen zu , von denen viele der derzeit besten Zirkuskünstler kommen. Ein schönes Gegenbeispiel, und deshalb auch einer der Höhepunkte des Programms, ist die sechszehnjährige Russin Ekatarina, die zuerst als Schlangenmädchen ihre Glieder so verbiegt, dass einem fast von Zusehen schlecht wird, und dann nach der Pause noch einen draufsetzt, wenn sie als Mitglied des Trios Ponomariov als Stoffpuppe so umhergewirbelt und malträtiert wird, dass man lange nicht an einen echten Menschen im „Dummy“ glaubt. Bei all dem bleibt sie ein natürlich wirkendes junges Mädchen, das eben ganz erstaunliche Dinge mit seinem Körper machen kann. Dagegen wirkt der ewig grinsende Clown mit seinem Notenpult schon ein wenig lächerlich.
Wilfried Hippen
Der Circus Busch-Roland gibt bis zum 20. Mai auf der Bürgerweide täglich zwei Vorstellungen, Info: www.busch-roland.de
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