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Spaß am Untergang

Die Fußballfrauen des HSV freuen sich darüber, gegen den FFC Frankfurt mit 0:5 verlieren zu dürfen

BERLIN taz ■ Wenigstens dies eine Mal sollten die Frauen in den roten Hemdchen und den blauen Stutzen schneller sein als ihre Widersacherinnen. Als Erste warfen sich die Fußballerinnen des Hamburger Sport-Vereins auf den vom Nieselregen geschmierten Rasen; als Erste zogen sie weiter Richtung Kurve, um sich von einem Häuflein Fans würdigen zu lassen – immer und immer wieder. Und dabei hopsten und tanzten und juchzten die Frauen aus der Hafenstadt – und es war selbst von ganz oben von der Tribüne aus deutlich zu sehen, dass sie in diesem Moment ziemlich glücklich waren und sehr zufrieden.

So sehen also Verliererinnen aus. Oder besser: So können Verliererinnen aussehen, dann nämlich, wenn sie schon vor dem Spiel als solche feststehen und sich prompt auch noch annähernd widerstandslos in ihr Schicksal fügen. „Alles, was unter 0:8 liegt, wäre ein Erfolg“, hatte Andrew Pfennig, der Trainer, vor dem großen Finale in der Hauptstadt wissen lassen. So gesehen muss die 0:5-Niederlage gegen den 1. FFC Frankfurt ein riesiger Erfolg für die Hanseatinnen gewesen sein. Und weil dem so war, erfand Pfennig eigens einen Titel, den es in dieser Form zuvor noch nicht gab im deutschen Fußball, auch bei den Frauen nicht: „Deutscher Vize-Pokalsieger zu werden, ist doch eine tolle Sache“, fand der frisch gebackene Vize-Pokalsieger-Trainer.

Vielleicht muss man das so sehen, wenn man als Bundesliga-Aufsteiger und aller Voraussicht nach auch als Absteiger gegen den Frauen Fußball Club aus Frankfurt antritt. Die Diven vom Main sind das Nonplusultra im deutschen Frauenfußball, eine Feststellung, die durch härteste Fakten belegbar ist: Seit 10. Juni 2001 haben die Hessinnen kein Pflichtspiel mehr verloren, mit dem Sieg vom Samstag ihren vierten Pokaltriumph in Folge unter Dach und Fach gebracht, ihren deutschen Meistertitel werden sie auch bald wieder verteidigt haben, und im Finale des erstmals ausgetragenen Frauen-Uefa-Cups am 23. Mai gegen die Schwedinnen von Umea IK gelten sie nicht minder als Favoritinnen. Da stellte sich nun wirklich schon vor dem Spiel die Frage, was die Hamburgerinnen gegen diese Überelf ausrichten sollten. Pfennigs Antwort danach: „Gegen den FFC mit 0:5 verloren zu haben, ist für uns überhaupt nicht relevant.“ Selbst Torfrau Claudia von Lanken, noch die Beste im HSV-Dress, war über die fünf Treffer, die sie hatte einstecken müssen, nicht weiter betrübt. „Spaß gemacht“ habe das Finale, gab sie bekannt. Und auch Silva Lone Saländer pflichtete da bei: „Mit dem Vize sind wir zufrieden.“ Vom Niveau des Spiels konnte man das leider nicht so behaupten. Je mehr sich die Überlegenheit der Frankfurterinnen offenbarte, was bald schon der Fall war, um so gähnender wurde die Langeweile, die sich in der beinahe leeren Großbaustelle des Berliner Olympiastadions breit machte. Und so wurden die immer noch vorherrschenden Vorurteile über den Frauenfußball mit diesem Final doch eher gestärkt denn aus dem Weg geräumt. Sonderlich viel Spaß beim Zusehen hat das Spiel jedenfalls nicht bereitet, dafür war die Angelegenheit doch all zu einseitig. „Hamburg hat es uns heute zu einfach gemacht“, fand auch Vorzeigestürmerin Birgit Prinz. „Ich kann mich mehr freuen, wenn wir uns den Erfolg hart erkämpfen müssen“, verriet sie.

Freude hin oder her – drei der fünf Frankfurter Treffer hat Prinz dennoch gemacht, und damit mal wieder ihre Ausnahmestellung als Sturmkraft herausgestrichen. Da darf es nicht verwundern, dass FFC-Trainerin Monika Staab ihrer Wunderstürmerin „mit einem weinenden und einem lachenden Auge“ hinterherblickt, wenn die 92-fache Nationalspielerin nach dieser Saison in die US-amerikanische Frauen-Profi-Liga zu Carolina Courage wechselt, wo ihr Name schon jetzt jede Menge Zauber versprüht und ein Privatvertrag mit dem Mediengiganten „Time Warner“ dafür sorgt, dass die gelernte Physiotherapeutin künftig ausschließlich Tore schießen kann. Da es auch Steffi Jones in die Staaten zieht, nach Washington nämlich, steht der FFC nach dieser Saison zumindest vor einer kleinen Zäsur. Dass daraus ein Bruch in der Erfolgsgeschichte folgen könnte oder gar eine Einbuße der Dominanz, steht indes nicht zu befürchten, zu langfristig und seriös geplant und angelegt sind all die Erfolge in Frankfurt.

Der größte freilich steht noch an, am 23. Mai, wenn im heimischen Waldstadion der Uefa-Cup gewonnen werden soll. „Ich hoffe, dass wir da unser ganzes Potenzial zeigen können“, hat Siegfried Dietrich, der umtriebige FFC-Manager nach dem neuerlichen Triumph in der Hauptstadt gesagt. Am Samstag gegen den HSV war das leider nicht nötig.

FRANK KETTERER

1. FFC Frankfurt: Wissink – T. Wunderlich, Nardenbach (64. Rech), Minnert – Kliehm, Künzer, Lingor, Hansen (45. Meier), Pia Wunderlich – Prinz, JonesHamburger SV: Von Lanken – Schröer, Gärtner, Herrmann (45. Schulz), Carlson – Saländer, Hüllen (89. Brüske), Cohn, Wenzel – Kameraj (78. Carbow), VredenZuschauer: wenig; Tore: 1:0 Prinz (11.), 2:0 Lingor (29.), 3:0 Prinz (82.), 4:0 Prinz (88.), 5:0 Künzer (90.)

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