themenläden und andere clubs privat feiern und sparen: Die Rückkehr der Toga-Partys
Wenn ich doch noch mal eine herrenlose Plastiktüte mit gebrauchten (aber gültigen!) Geldscheinen unter einer Parkbank finden sollte, dann schmeiße ich ein rauschendes Fest. Versprochen. Ich miete ein Gartenhaus samt Pavillon, besorge 6.000 mit Helium gefüllte Luftballons, illegale und legale Drogen, eine 20-Mann-bzw.-Frau-Bigband, lasse 300 Bleche voller Speckpflaumen backen und 50 Käseigel mit verschiedenen französischen und schweizerischen Rohmilch- und Schafskäsestückchen bespießen, die einem schon im Treppenhaus entgegengelaufen kommen (was ein echter Rohmilchkäse ist, der läuft schneller als die selige Florence Griffiths-Joyner).
Die Männer müssten im Anzug und mit Minipli kommen, die Frauen in weißen, flatternden Laura-Ashley-Kleidern und „Hallo Janine D.“-Korksandaletten. Ich nehme keine Rücksicht auf Geschmack und Stil, oh nein. Rauschendes Fest ist schließlich rauschendes Fest, und ich orientiere mich stark an der Party, die bei „Carlito’s Way“ gefeiert wird und auf der schon um die Mittagszeit schwankende Laura-Ashley-Rüschen auf bekoksten Minipli-Mafiamitgliedern hocken, um sich gegenseitig mit Champagner vollzukleckern.
Schon gut, ist nur eine Idee. Aber das mit den Helium-Ballons macht Spaß, man kann das Gas bekanntlich einatmen und dann mit Mickymaus-Stimme seinen Anrufbeantworter besprechen. Damit die Geschäftspartner gleich wissen, mit wem sie es zu tun haben: mit einer Comicfigur. Ich möchte trotzdem hiermit die Rückkehr der Privatpartys einleiten, zum Ersten ist es – jedenfalls für die Gäste – billiger; zum Zweiten ist es für die Wohnung so, als ob man sie mal wieder richtig ausfahren würde. Nie würde ich sonst an Stellen putzen, an denen meine Gäste Gläser mit klebrigen, selbst gemachten Drinks verschütten, diese Stellen meiner Wohnung hatte ich gar vorher überhaupt noch nie betreten. Ohnehin wird normalerweise nicht geputzt, meine Wohnung ist wie ein guter Wollpullover: sie reinigt sich netterweise selbst.
Auch passiert es bei Privatpartys immer wieder, dass sich Fremde einschleichen. Leider blieb noch nie Cary Grant als letzter Gast auf meinem Sofa sitzen, um mich später zur Geheimdienst-Mitarbeit zu überreden (wie es Ingrid Bergman mal passierte), aber immerhin kommen manchmal merkwürdige Menschen aus dem Vorderhaus, und man kann über Fahrradabstellplätze und die Betriebskostenabrechnung fachlallen.
Das Vierte, was ein Privatfest, zumindest in manchen Lebensphasen, jedoch ganz stark über das gemeine Ausgehen hinweghebt, ist die Möglichkeit der Toga-Party. Toga-Partys, so genau weiß ich es zwar nicht, aber meine Fantasie überschlägt sich, wurden in den frühen 60ern gefeiert und bestanden in weinseligen Zusammenkünften von Eltern-Ehepaaren in weißen (und schnell weinbefleckten) Baumwolllaken. Vermutlich setzten sich einige Herren Lorbeerkränze aufs Haupt. Dazu lief, tja, vielleicht Herb Alpert oder irgendeine grauselige James-Last-Disco-Platte. Käseigel gab es natürlich auch, schon wegen der Rom-typischen Weintrauben.
Ich bin nicht ganz sicher, und irgendwie möchte auch keiner so richtig mit der Sprache rausrücken, aber ich habe das Gefühl, dass diese Toga-Partys mit den laxen Umgangsformen und den nur notdürftig mit kleinen Sicherheitsnadeln befestigten Laken eigentlich als versteckte Orgien gedacht waren. Manchmal kann man in Flohmarkt-Wühlkisten nämlich verschwommene, viereckige Fotos finden, auf denen Körperteile (von lebenden, nur momentan quasi betäubten Menschen) zwischen Laken, Weinflaschen und zerdrückten Trauben auszumachen sind. Und das sind alles unsere Eltern! Wahnsinn. JENNI ZYLKA
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