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Wasser predigen, Wein trinken

betr.: „Kollegen gegen Genossen“, „Gewerkschaften boykottieren Senat“, taz vom 30. 4. 02

„Und die Gewerkschaften glauben noch immer, die Öffentlichkeit würde auf Dauer hinnehmen, dass Berlin an den Ausgaben für sein Personal kaputtgeht.“

Muss ich es hinnehmen, dass in der taz Menschen schreiben dürfen, die vielleicht gerade ein Jahr in der Pampa gelebt haben und dort die taz nicht gelesen haben? Nicht die zahlreichen Beiträge über die Pleite der Berliner Bankgesellschaft (BBG)? Über die Ruhestandsregelung für den Vorstandsvorsitzenden der BBG? Über die Risikoabschirmung in Höhe von maximal 21,6 Milliarden Euro (auch für die Promi-Fonds)? Nicht den Beitrag von Christian Füller vom 10. 4. („Die rot-roten Berliner Lügenbolde“)? Nicht das Interview mit Harald Wolf vom 13./14. 4. („Die Wut ist berechtigt“)? Ich fasse es nicht!!!

Und dann das völlig berechtigte Verhalten der Personalräte gegenüber Herrn Sarrazin zu beschreiben mit „Thilo Sarrazins forsche Art liegt den Vertretern der Beschäftigten nicht“!!! Ich erinnere daran, dass den Beschäftigten und glücklicherweise offenbar auch ihren Vertreter im Gegensatz zu Robin Alexander noch etwas an Herrn S. „nicht liegt“: Er verlangt von den Beschäftigten einen „freiwilligen“ Lohnverzicht in Höhe von zehn Prozent, klagt selber aber sein volles Gehalt von der Deutschen Bahn AG ein, das etwa dreimal so hoch liegt wie das Senatorengehalt, auf das er großzügig verzichtet hat. Er lässt sich also mühelos in die lange Reihe der Berliner PolitikerInnen einreihen, die Wasser predigen, aber Wein trinken.

Ich erwarte von der taz etwas mehr Erinnerungsvermögen. Und wenn die einzelnen SchreiberInnen darüber nicht verfügen, sollte es doch die Redaktion haben. […]

Ich erwarte von der taz, dass sie die Gewerkschaften und die BeschäftigtenvertreterInnen für ihre aufrechte Haltung respektiert, die daran erinnert, dass politische Verantwortung auch von den Verantwortlichen und nicht von ErzieherInnen, Schreibkräften und Pförtnern wahrgenommen werden muss. Diese Haltung lassen Parteien wie die SPD vermissen, die es Frau Fugmann-Heesing offenbar locker verzeiht, dass sie im Aufsichtsrat der BBG die Übersicht verloren hat, und die Herrn Staffelt, einen der heftigsten Befürworter der Konstruktion der BBG (die damals von Michaele Schreyer kritisiert wurde), auf Platz 3 der Landesliste für die Bundestagswahlen setzt. Und warum sollen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes mit Lohnkürzungen bezahlen? […]

GUDRUN ROGGE

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