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Was tun, wenn’s brennt?

Keine Müllverbrennung in Brandenburg, hieß es bislang einhellig. Doch nun schwenkt der erste Landkreis aus. Auf die Verantwortlichen wartet noch ein heißer Sommer

Wer mit Abfällen ein paar Euro verdienen will, braucht ein dickes Fell. Richtlinien und Emissionsgrenzen machen das Leben schwer, hinzu kommt immer eine unwägbare Größe: Menschen, die den Müll machen und ihn dann nicht sehen und nicht riechen wollen.

Dabei könnte es so gut laufen in Hennigsdorf am Rand von Berlin: Abfälle gibt es, Platz ist da und der Landrat ein Wirtschaftsfreund. Ein neues Heizkraftwerk soll hier Müll zu Strom machen.

Der Standort liegt allerdings zwischen Landschaftsschutzgebiet und Trinkwasserreservoir. Seit der Vergabe zum Jahresanfang lodert der Zorn bei den künftigen Nachbarn: Als erster Landkreis geht Oberhavel ab vom „Brandenburger Weg“, nach dem Verbrennung zu umgehen ist. „Unsere Lebensqualität leidet eindeutig, die wirtschaftlichen Folgen sind erheblich“, sagt Peter Ott von „BI contra MVA“, der Hennigsdorfer Bürgerinitiative gegen die Müllverbrennungsanlage. „Uns vereint hier, dieses Unternehmen zu kippen.“

Zum Jahr 2005 werden die Deponien im Landkreis für unsortierten Müll dichtgemacht, weil dabei zu viel Methanol entsteht, der Ozonkiller. Darum hat der Landkreis Oberhavel die Entsorgung neu ausgeschrieben – Standort und Verfahren zur freien Wahl. Den Zuschlag bekam die Energos GmbH mit dem billigsten Angebot für das thermische Verfahren, durch das auch die benachbarten Bombardier-Werke Strom erhalten sollen.

„Da schielt die Industrie nach billiger Energie. Die Betreiber spendieren noch eine Pipeline dazu“, vermutet Ott wirtschaftliche Verzahnung vor Ort. Dabei spricht viel gegen das Projekt: 80.000 Tonnen Müll will Energos hier jährlich verbrennen und müsste deshalb zur Auslastung Gewerbeabfälle aus der Umgebung dazukaufen. Lastwagenkolonnen würden durchs Dorf rollen. Lokale Stromanbieter hätten Verluste, Investoren und Touristen würden abgeschreckt. Die 1995 gegründete Energos habe ihr Brennverfahren in solch großen Anlagen bisher nicht erprobt, so die Kritiker. Laut Werbeprospekt seien die Anlagen „vollautomatisch“ – bis auf einen Pförtnerjob würden kaum Jobs entstehen.

Alternativangebote zur mechanisch-biologischen Aufbereitung hat der Landkreis abgelehnt. Dabei würde sie nur einige Cents mehr pro Tonne kosten, rechnet die Bürgerinitiative vor. Und vermutet, die Entscheider vom Landkreis hätte die neu zu bauende Anlage verlockt.

Die Verursacher wissen um die brodelnde Stimmung in Hennigsdorf: „Um etwas in trockene Tücher zu bekommen, muss man einen breiten Konsens finden“, sagt Matthias Elfer von Energos Deutschland. Diesen Konsens wolle man mit den Bürgern und prüfe derzeit verschiedene Standorte. Der Müll werde ja durch die Verursacher vorsortiert, später nochmals in der Anlage. Metall werde entfernt, im Ofen landen etwa Papier, Holz oder Kunststoff – „unbelastete Brennstoffe, das ist ja nichts Giftiges“, sagt Elfer. „Mit der absolut umweltfreundlichen Technologie wird niemand zu Schaden kommen.“

Ott führt an: „Warum konnte man sich nicht mit Berlin zusammensetzen und eine Lösung überlegen?“ Berlin habe dreimal den Bau einer Verbrennungsanlage verworfen. Heute wird gepresster Müll ins bewährte Hightech-Zentrum Schwarze Pumpe entsorgt. „Dieser Weg hätte für uns keine Mehrkosten“, so Ott.

Aber: „So ein Angebot kam nicht“, sagt dazu Wiolina Thierfelder vom Kreisdezernat für Umwelt, Wirtschaft und Bauen – Schwarze Pumpe hätte sich an der Ausschreibung beteiligen können. Mit der Aufbereitung von Abfällen, sagt sie, „muss man in einem Industriestaat heutzutage leben“. Elfer von Energos argumentiert: „Zehn Kilometer weiter, in Berlin-Ruhleben, steht schon seit Jahren eine Verbrennungsanlage für 500.000 Tonnen Müll im Jahr. Da schert sich kein Mensch drum.“ Lässt man Abfälle wiederum kalt verrotten, sagt Elfer, „bleiben 46 bis 55 Prozent des Inputs doch wieder zur Verbrennung übrig“.

Die norwegische Energos GmbH hat ein Patent auf Müllverbrennung bei niedrigen Temperaturen. Sie betreibt schon in Minden bei Detmold eine ähnliche Anlage als Heizkraftwerk. Entschieden hat der Kreistag Oberhavel im Stillen, unter Beratung eines Ingenieubüros. Das gerät nun zum Bumerang: Die Stadt Hennigsdorf stellt sich quer, und die Nachbarn sind sauer: Berlin-Reinickendorf wird den Müllofen genau wie Heiligensee vor der Haustür haben.

Zurück kann der Landkreis jetzt nicht mehr, sonst ist Schadenersatz an Energos fällig. Nur auf die Genehmigung des konkreten Projekts können die Hennigsdorfer noch einwirken, es etwa nach Nordosten an die Autobahn verfrachten. Im Trinkwassergebiet ist auch das ein Vabanquespiel, glaubt Peter Ott: Bei Müll „geht es nicht schmutzfrei ab“. MARGRET STEFFEN

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