: Niemand kann fliehen
betr.: „Hunderte im Kongo massakriert?“, taz vom 12. 6. 02
Dominic Johnson hat gleich zu Anfang seines Artikels das Stichwort schon gegeben: „Ein Sprecher der Hema fürchtet die Auslöschung seiner 400.000 Volksgenossen.“ Ist das das Ergebnis der jahrelangen Diskussion um „Stämme“ und „Ethnien“?
Nennen wir sie nun also Volksgenossen. Die Situation im Kongo ist eine nazistische: 1. Die Massenvernichtung. Seit 1998 sind über zwei Millionen Menschen ermordet worden oder verhungert. Dabei gleichen sich die Formen des Kriegs mit dem in Angola, von dem die taz (nur einen Tag später) am 13. 6. berichtet hat.
2. Die rassistische Mobilisierung und Eskalation mit allen Mitteln: die Polarisierung zwischen „Bantu“ und „Niloten“. In einem Geografiebuch von 1979 (Bernd Wiese) über die Region Ituri, genau die, aus der Johnson berichtet, ist zu lesen: Hema seien den Bantu zuzuordnen, wie Nyari und Bira. Dagegen seien Lendu „ostsudanesische Gruppen“ und Alur „Niloten“. Die Zuordnung, von Alfred Moeller 1936 in den Zeiten von Congo Belge vorgenommen und mit einer Einschränkung der Migrations- und Siedlungsrechte für alle gestreut dort Siedelnden und Ackerbau oder Weidewirtschaft Betreibenden versehen, wird also heute geändert. Hema seien keine „Bantu“, sondern „Niloten“. Ba-Ntu („Menschen“) sind heute also nicht mehr alle, sondern nur noch „Lendu“, die „anderen“ nicht. […] In der Tat werfen SprecherInnen der Hema „den Lendu“ vor, ganze Dörfer zu massakrieren, nicht erst seit April.
Unter www.users.skynet.be/bs245857/ituri7.html ist zu erfahren, dass die Angriffe von Gebildeten gezielt vorbereitet wurden und werden. Und es wird wieder wie im Völkermord in Ruanda 1994 über ein Radio zum Morden aufgerufen! Diesmal ein Radio „Candip“ in Bunia des Institut Supérieur Pédagogique. Dass aus diesen Hunger- und Massakerregionen Afrikas niemand fliehen kann, um sichere Zuflucht zu finden, ist die eigentliche Verantwortung und Verwerflichkeit der sog. Weltgemeinschaft. Beide, USA und Frankreich, sind für diese rassistischen Eskalationen mitverantwortlich. MICHAEL SAUTER, Bremen
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