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die wirrsten grafiken der welt: brautwahl der batemi

Herr Keuner begegnete wieder einmal Herrn Wirr, diesmal in einer dreckigen Kaschemme in der Nähe des Göttinger Güterbahnhofs. „Ich bin immer noch ein großer Gegner der Grafiken“, sagte Herr Wirr und orderte eine Platte Suflaki plus Ratzeputz und Bier. „Für mich dasselbe“, sagte Herr Keuner, der an diesem Abend vielleicht noch den schräg gegenüber gelegenen Puff besuchen wollte und sich vorsorglich von Kopf bis Fuß mit potenzsteigerndem Meerrettich-Extrakt eingerieben hatte. Da kam Herr Köhler des Wegs. „Ist hier noch frei?“, fragte der Wahl-Göttinger Erzschelm, setzte sich unaufgefordert auf Herrn Keuners Schoß und entrollte ein Papier mit einer wirren Grafik aus Alfred Schäfers Werk „Unsagbare Identität“ (Berlin 1999), eingereicht freundlicherweise von Herrn Christian Rohde aus Wuppertal. Es gehe da um Symbolisierung von Clan und Relationship bei der Brautwahl der Batemi, einer Agrarkultur inmitten der Massai, erklärte Herr Köhler und schnippte nach der Kellnerin, denn er war furchtbar durstig, aber weder Herr Wirr noch Herr Keuner hatten Lust, für Herrn Köhlers Auslagen geradezustehen. Tödlich beleidigt rollte der Publizist die Grafik wieder ein und trollte sich, und so werden wir wohl nie erfahren, ob Herr Keuner und Herr Wirr aus der Grafik schlauer geworden wären als die deutschen Ethnologie-Studenten der Jahrtausendwende. GERHARD HENSCHEL

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