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■ Reaktionen zum KopftuchstreitSymbol der Frauenunterdrückung

betr.: „Integration per Gerichtsurteil“ von Kirsten Wiese, taz vom 4. 7. 02, „Das Kreuz mit dem Kopftuch“, taz vom 5. 7. 02

Das Bundesverfassungsgericht hat Muslimen das Schächten deshalb gestattet, weil es schon eine andere Religionsgemeinschaft in Deutschland gibt, der dies erlaubt ist. Es handelt sich also um die Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes, nicht um Minderheitenschutz.

Im Gegensatz zum Schächten ist das Tragen des Kopftuches nur für einen Teil der Muslime verbindlich: Nämlich für den weiblichen. Damit stellt das Kopftuchtragen einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung von Männern und Frauen dar.

Ein Blick in die Türkei zeigt, dass es bei der „Kopftuchfrage“ nicht um Minderheitenschutz geht: Im laizistischen Staat Türkei ist das Kopftuch in allen staatlichen Gebäuden verboten, da es der Trennung von Staat und Kirche widerspricht. Das aus religiösen Gründen getragene Kopftuch ist nicht nur ein Stück Stoff, sondern Symbol für die religiös legitimierte Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, sowie für die von fundamentalistischen Muslimen angestrebte Einführung eines Gottesstaates. Beides widerspricht dem deutschen Grundgesetz, deshalb sollten Kopftücher im Schuldienst auf jeden Fall verboten bleiben.

KATJA HUSEN, Hamburg

Ein kleiner Beitrag aus Fernost zu dem Thema: Im atheistischen China ist es absolut normal, dass eine muslimische Lehrerin ein Kopftuch trägt. Als Beispiel für die Förderung nationaler Minderheiten wird dies sogar positiv bewertet. Warum kann das religionsfreundliche Deutschland nicht etwas Toleranz zeigen?

VOLKER MÜLLER, Beijing, China

Frauen, die auf dem Kopftuch als Zeichen ihres religiösen Bekenntnisses bestehen, verschweigen meist den ideologischen Hintergrund, nämlich die Auffassung, dass Frauen sich in der männlich gedachten Öffentlichkeit nur verhüllt zeigen sollten. Ansonsten die Gefahr bestände, den sexuellen Appetit der Männer zu reizen.

Der Gedanke, Frauen seien, in unverhüllter Form, grundsätzlich für Männer verfügbar, widerspricht aber der Aufassung von Menschenwürde, die das Grundgesetz vertritt. Das „Kreuz mit dem Kopftuch“ ist nur scheinbar eine religiöse Frage. Schließlich gibt es Formen des Islams, die ohne dieses „Symbol der Frauenunterdrückung“ auskommen.

Anders als zum Beispiel eine Sachbearbeiterin in der Kfz-Zulassungsstelle, hat eine Lehrerin eine pädagogische Funktion und beeinflusst bewusst oder unbewusst das Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Die Berufsfreiheit kopftuchtragender Lehrerinnen, die Kirsten Wiese reklamiert, hat zurückzutreten hinter die Aufgabe der Schule, Mädchen zu selbtbewussten und starken Persönlichkeiten zu erziehen (die Basis dafür ist ein selbstbewusstes und positives Gefühl zum eigenen Körper !). CLAUDIA PINL

Dem eigentlichen Kern der Auseinandersetzung, nämlich der Frage nach den Schranken der Grundrechte bei Kollision mit Rechten Dritter, weicht Wiese aus. Sie ignoriert völlig die Perspektive der Kinder. Das Tragen eines Kopftuchs signalisiert – jenseits aller religösen Aspekte – Verschlossenheit, Distanz. Hierdurch wird eine Beziehung in besonderer Weise determiniert. Kinder haben jedoch gerade bei schulischen Bezugspersonen Anspruch auf das Gegenteil, Offenheit und Nähe, Unvoreingenommenheit. Sie können sich ihre Lehrerinnen nicht aussuchen, das macht den Unterschied zur Perspektive von Frau Ludin.[…]

ANDREAS HERTSCH, Wehrheim

Wer aus einem Land stammt wie ich (Türkei), wo der Islamismus Staatsreligion ist, erkennt die Signale sofort, die Frau Ludin aussendet: „Ich darf diese Frau nicht ansprechen, anblicken, anmachen, sie nicht nach dem Weg fragen und die Hand drücken. Ihr ist auch verboten, mit fremden Männern (Lehrern) den Umgang zu pflegen, zu reden, sich mit ihnen in einem Raum aufzuhalten und sie anzublicken. Sie darf auch nicht alleine auf die Straße gehen.“ Das alles schreibt ihr das islamistische Scharia-Gesetz vor.

Frau Ludin trägt kein Kopftuch wie meine Mutter eins getragen hat, sondern ein Kopfkleid, bestehend aus einem Kopfüberwurf und einer Kopfhaube zur Abdeckung ihrer Haare. Mit ihrer Verhüllung signalisiert sie die Ablehnung unserer westlichen Werte. In der Schule kann sie auch zusätzliche Pausen für fünfmaliges tägliches Gebet und einen Extraraum bzw. eine Moschee dazu verlangen.

Ich frage mich, wie sie unsere Kinder unter diesen Zwängen unterrichten soll? KÜLTIGIN KUTLUGÜN, Hamburg

Ein Kopftuch zu verbieten, ist Schwachsinn. […] Der Mensch drückt sich immer irgendwie aus, auch ohne Kopftuch. Ihm dies zu verwehren, ist unmenschlich. Junge Menschen brauchen lebendige Wesen zur Auseinandersetzung und zum Lernen, mit deren menschlichen Macken und Vorstellungen, keine gesichtslosen Roboter.

Was zählt, ist, dass jede/r mit seiner Eigenart und seinem Glauben geachtet wird, ohne dass irgendjemand zu irgendetwas gedrängt wird. Genau darin gibt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts das falsche Signal: Persönlichkeit ist in unserer Gesellschaft nicht erwünscht. Das werden nun schon die LehrerInnen vormachen. […] ANNA MEYER, Hamburg

Ob hier die deutsche Gründlichkeit soweit geht, dass zukünftig Priester außerhalb des Religionsunterrichtes in der Schule keinen Stehkragen mehr tragen dürfen und Schwestern, die an staatlichen Schulen unterrichten, keine Ordenstracht? Ich bezweifle es. Diese Art der Einflussnahme ist den Kindlein offenbar zumutbar!

FLORIAN BERGER, Eichenau

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