: Wir haben den Kanal voll
Starker Regen überflutet regelmäßig Bremer Straßen. Ihre Keller müssen die Bürger jedoch selbst trocken halten. Für die Zukunft rechnen Experten mit noch mehr Regen.
Als Fußgänger eine Kreuzung zu überqueren, kann ziemlich riskant sein. Reißende Bordsteinbäche muss der unbedarfte Passant überqueren, manchmal hilft nur die Suche nach einer Furt – oder ein beherzter Sprung. Auch für Häuslebauer wird es manchmal zum Abenteuer, den guten Roten aus dem Keller zu holen. Nichts ahnend steigen sie die Treppen hinunter, doch ein beachtlicher Binnensee aus Regen- und Abwässern trennt sie von den Regalen mit den Jahrgangsauslesen.
So oder ähnlich ist es vielen FindorfferInnen am vergangenen Sonntag ergangen. Dass die bis zu 100 Jahren alte Kloake überläuft, sind viele dort zwar schon gewohnt, besonders bei schwerem Regen. Neulich aber war Jahresrekord – am Sonntag fielen jede Minute bis zu 20 Liter pro Quadratmeter.
„Bei starkem Regen steigt das Wasser im ohnehin doppelt belasteten System so hoch, dass es in die Häuser zurückläuft“, so Hans-Peter Weigel von der Bau- und Umweltbehörde. Doppelt belastet, weil in Bremen Haushaltsabwässer und Regen durch einen gemeinsamen Kanal liefen.
Dabei sind die Betroffenen vielfach selber schuld: Eine Bauvorschrift schreibe seit Beginn des 20. Jahrhunderts vor, dass jedes Haus mit einer Rückstausicherung ausgerüstet sein müsse, so Weigel. Solche Geräte sorgten dafür, dass das Wasser erst gar nicht zurücklaufen könne.
2,5 Millionen Euro haben Behörde und Wasserentsorger Hansewasser schon vor drei Jahren bereitgestellt, um den Überfluteten trockene Keller und die Einhaltung der Bauvorschriften zu ermöglichen. Anträge zur Unterstützung liegen bei beiden Einrichtungen bereit. „Bislang ist davon aber erst wenig abgeflossen“, weiß Weigel. Die staatliche Unterstützung scheint kein Ansporn zu sein, obwohl die Hausbesitzer für trockene Keller selbst sorgen müssen. Die Hansewasser, so Pressesprecherin Dora Hartmann, sei nur für die Instandhaltung des öffentlichen Teils des Abwassersystems zuständig – über 15 Millionen Euro habe das 1999 privatisierte Unternehmen im letzten Jahr dafür ausgegeben.
So viel kosten die Schutzsysteme für Häuser zwar nicht: Die Palette reicht von der einfachen Rückstauklappe für 500 Euro bis zur elektrischen 3000-Euro-Luxuspumpe. Dabei raten Fachleute von Heimwerkertum ab: Wer als Laie eine Rückstauklappe anbringt, muss damit rechnen, dass das Regenrinnenwasser gar nicht mehr ablaufen kann. Dann ist der Keller wieder voll.
Dass Anti-Regenflut-Geräte irgendwann gar nicht mehr nötig sein könnten, glaubt Hartmann nicht. „Die Illusion, Überschwemmungen völlig vermeiden zu können, darf man nicht schüren.“ Die entsprechenden Abwässerkanäle wären so groß, dass die Straßen um ein Dreifaches verbreitert werden müssten, so Dora Hartmann von Hansewasser.
Uni-Klimaforscher Michael Schirmer sieht noch eine ganz andere Gefahr. Die Wetterexperten seien sich einig, dass eine weltweite Klimaerwärmung stattfinde. „Durch die zunehmende Hitze steigt mehr Wasserdampf in die Atmosphäre, der sich irgendwann abregnen muss.“ Im Nordwesten Deutschlands geschehe dies in Form kurzer, aber starker Sommergewitter – genau die Form Niederschlag, die jetzt wieder Bremer Keller überflutet hat. Wenn Hans-Peter Weigel von der Bau- und Umweltbehörde das jüngste Gewitter also als „Jahrhundertereignis“ bezeichnt, muss er sich vielleicht für zukünftige Gewitter ganz andere Superlative ausdenken.
slk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen