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Kampf gegen den Krebs

betr.: „Wissen macht stark“ (Brustkrebs), taz vom 5. 7. 02

Dass Krebs „Big Business“ ist, wissen oft nicht einmal die Betroffenen. Fortschritte beim Brustkrebs sind in der Tat zumindest auch der Organisierung der Frauen zu danken. Der Brustkrebs aber ist nicht der tödlichste unter den Krebserkrankungen, nicht einmal für Frauen ist er das. Weitgehend unsichtbar für die Gesellschaft rafft der Lungenkrebs mehr Menschen dahin als Darm-, Prostata-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs zusammengenommen. Ganze 85 Prozent der Lungenkrebskranken werden an dieser Krankheit sterben. Selbst für Frauen hat der Lungenkrebs den Brustkrebs als Todesursache Nummer eins überholt. Dies liegt daran, dass es für den Brustkrebs jetzt bessere Früherkennungs- und Behandlungsmethoden gibt, aber leider auch daran, dass mehr Frauen rauchen. Für den Brustkrebs gibt es Demonstrationen und Wettläufe, die „lila Schleife“ und Sonderbriefmarken, für den Lungenkrebs gibt es nichts dergleichen. […] Lungenkrebs gilt als Raucherkrankheit, als eine, die die Kranken selbst zu verantworten haben. Deswegen lassen sich dafür keine Mittel loseisen. Der Brustkrebs bekommt 13-mal mehr Mittel als der Lungenkrebs.

In der Tat haben nach dem Fortschrittsbericht des National Institute of Health (NCI) 90 % der Lungenkrebskranken mal geraucht, nach einem der kürzlich erschienenen Berichte des Boston Globe sind es sogar 95 % der Männer. Aber selbst die Mehrzahl der schweren Raucher bekommen diese Krankheit nicht, jedenfalls nicht diese; und selbst wenn es stimmt, dass nur 5, 10 oder 15 % durch etwas anderes krank werden, ist das immer noch eine Menge Menschen (in den USA alleine erkranken jährlich 170.000 an Lungenkrebs, weltweit sind es über eine Million). […]

Unerwähnt bleiben Gifte in der Umwelt. Einer meiner Söhne glaubt fest, dass ich – der ich nie geraucht habe – Lungenkrebs durch Tschernobyl bekommen habe. Für Lungenkrebs gibt es sogar eine der Mammographie ähnliche Kontroverse: Das NIH will eine Zehnjahresstudie durchführen, um nachzuweisen, dass die Früherkennung mit Computertomographie besser als Röntgenaufnahmen ist. Als wenn man nicht schon seit zehn Jahren wüsste, dass CTs 16-mal genauer sind als Röntgenaufnahmen und dabei weniger Strahlen verursachen.

Das National Cancer Institute (NCI) hat 2.000 Projekte. Das klingt sehr imposant, bis man sich die Projekte genauer anschaut. Da gibt es z. B. zwei mehrjährige Studien über die Sprache der Werbung der Zigarettenindustrie und eine andere darüber, wie die Zigarettenindustrie insbesondere Schwule und Lesben anspricht. Als wüssten wir nicht schon seit 40 Jahren, dass Rauchen sehr, sehr gefährlich ist. Warum machen sie diese Untersuchung überhaupt? Als 1964 der Bericht des Surgeon General über die Gefährlichkeit des Rauchens herauskam, sank in der Tat die Rate der Raucher in Amerika. Es passierte aber etwas viel Schlimmeres: Das Rauchen gewöhnten sich die Reichen und die Städter ab, auf dem Lande wird weitergepafft. Lungenkrebs wurde weltweit zu einer Armutskrankheit, Arme aber organisieren sich nur schwer.

In ganz Berlin gibt es keine Lungenkrebspatientengruppe im Unterschied zu zahlreichen Brustkrebsgruppen. Daran muss sich etwas ändern. Lungenkrebs ist die unsichtbare Krankheit, an der die meisten Krebskranken sterben. Wer daran etwas ändern will, kann damit beginnen, seinen Onkologen oder sein Krankenhaus danach zu fragen, ob es Lungenkrebskrankengruppen gibt oder ob sie eingerichtet werden können. Notfalls kann er mir auch per E-Mail schreiben: petertautfest@compuserve.com

PETER TAUTFEST , Potsdam

(01/2001 mit Lungenkrebs im vierten von vier Stadien diagnostiziert, obwohl er nie geraucht hat; drei Chemotherapien, zwei Strahlentherapien, jetzt experimentelles Medikament Iressa (bisher nur in Japan zugelassen), das so ähnlich wie das Brustkrebsmittel Herceptin wirken soll (das zugelassen ist).

Wir lesen täglich in den Zeitungen „… sie/er starb nach langer, schwerer Krankheit“. Jeder weiß, es war Krebs, und jeder hat Beispiele im Familien- oder Freundeskreis. Erklärungen wie Gene, Stress und Psyche reichen nicht mehr aus. Wir als Verbraucher lernen zu den vorhandenen chemischen, Krebs erregenden Substanzen wie Pestiziden, Cerosin usw. immer neue chemische Giftvokabeln wie Nitrofen, Nonylphenol …Wie viel wir von den Giften essen und einatmen dürfen, wird vom Gesetzgeber festgelegt. […] Hier muss die Krebsbekämpfung schon massiv einsetzen, und das geht nur über politische Entscheidungen. Bei dem Ruf nach Anpassung des deutschen Qualitätsstandards in der Mammographie an den europäischen Standard sollte auch darauf hingeweisen werden, dass hier bereits bei uns Ultraschallgeräte im Einsatz sind, z. B. in Mönchengladbach, mit denen Brustkrebs im Frühstadium nachgewiesen werden kann, der vergleichsweise bei der Mammographie nicht zu erkennen ist. Diese Art der Vorsorge ist nur, wenn nicht privat versichert, auf eigene Kosten möglich und wird von frei praktizierenden Gynäkologen, die sich nur diesem Thema widmen, durchgeführt. LISA TRIPLER, Köln

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