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Die Spekulationssteuer soll weg

Bundesfinanzhof schließt sich dem Argument an, es handle sich um eine „Dummensteuer“, verweist die letztgültige Entscheidung jedoch an das Verfassungsgericht. Kleinaktionäre empfehlen Einspruch gegen Steuerbescheid

von REINER METZGER

Der Bundesfinanzhof zweifelt die Spekulationssteuer an. Sie sei seiner Ansicht nach verfassungswidrig, so gestern der 9. Senat des Münchner Gerichts. Die Begründung: Die Erhebung durch die Finanzämter erfolge nicht flächendeckend, sondern sehr selektiv. Kontrollen fänden nur unzureichend statt. Damit bestehe eine Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen. Zur endgültigen Entscheidung riefen die Richter das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an.

Es geht um Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren, vor allem Aktien. Gewinne aus Wertpapiergeschäften müssen versteuert werden, wenn zwischen Kauf und Verkauf weniger als ein Jahr und der Gewinn über 512 Euro liegt. Geregelt ist dies in den Paragrafen 22 und 23 des Einkommensteuergesetzes. Diese Frist gilt seit 1999, vorher betrug sie sechs Monate.

Geklagt hatte der Kölner Steuerrechtler Professor Klaus Tipke gegen das Bundesfinanzministerium. Er hatte einen Gewinn angegeben und versteuern müssen. Sein Anwalt Professor Franz Salditt erklärte: „Wir haben es hier nicht mit einer Besteuerung nach Leistungsfähigkeit zu tun, sondern nach Ehrlichkeit.“ Vermutlich gäben nur rund fünf Prozent der entsprechenden Steuerpflichtigen ihre Gewinne aus Wertpapierverkäufen beim Finanzamt an. „Dann ist der Ehrliche am Ende der Dumme.“ Eine breite Kontrolle scheitere am Bankgeheimnis. Eine solche „Dummensteuer“ aber verletzte den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung.

Die beklagten Finanzbehörden argumentierten, trotz Erhebungsmängeln sei die Steuer verfassungskonform. Sie mussten aber einräumen, dass die Finanzämter nur bei hinreichendem Verdacht Prüfungen der Anlegerdepots bei den Banken einleiten könnten – etwa wenn jemand angesichts der derzeitigen Börsenmalaise einen Verlust aus Aktiengeschäften in der Steuererklärung geltend macht, ohne dass er in den Vorjahren Gewinne angegeben hat.

Die Steuer-Gewerkschaft schätzt, dass der Bund um jährlich etwa 1,5 Milliarden Euro Spekulationsteuer betrogen wird. Dem schloss sich der Bundesrechnungshof in einem Bericht an: Das Erhebungsverfahren weise „strukturelle Mängel“ auf.

Der Finanzhof machte in der mündlichen Verhandlung am Dienstag deutlich, dass es klare Parallelen zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1991 zur Zinsbesteuerung sieht. Die Karlsruher Richter hatten die damals ebenfalls nur auf freiwilligen Angaben beruhende Zinsbesteuerung für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber müsse die Gleichbehandlung der Bürger nicht nur bei der Festsetzung der Steuerpflicht, sondern auch bei ihrer Durchsetzung gewährleisten, hatten die Karlsruher Richter damals betont. Daraufhin führte der Bundestag zum 1. Januar 1993 die Zinsabschlagsteuer in Höhe von 30 Prozent ein, die jenseits der Freibeträge bereits von den Banken einbehalten wird. Eine Abschlagsteuer dieser Art hatte der Bundesrechnungshof auch für Gewinne aus Wertpapierverkäufen vorgeschlagen.

Der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre, Klaus Schneider, empfahl gestern allen Aktionären, die für 2001 Spekulationsgewinne in ihrer Steuererklärung angegeben haben, zunächst Einspruch gegen den Steuerbescheid des Finanzamts einzulegen. Dadurch könne die Besteuerung unter Umständen bis zur endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verhindert werden. Diese werde allerdings voraussichtlich erst in mehreren Monaten fallen. Das Bundesfinanzministerium will die Spekulationssteuer bis zu einem Urteil aus Karlsruhe weiterführen.

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