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Von wegen Fun-Faktor

Guido Westerwelle mit dem Guidomobil in Hamburg. Jungliberale in blaugelb schmieren 18 Fischbrötchen. Und Guido redet, wie Politiker eben reden, die gewählt werden wollen

Von SANDRA WILSDORF

Die FDP lehrt uns, was Coorpo-rate Design ist, wie man ein Ziel auf eine Zahl reduzieren und diese so penetrieren kann, dass am Ende sich kaum noch jemand daran erinnert, dass das Ziel am Anfang eine Größenwahnsinnsnummer war. An Guido Westerwelle ist zurzeit alles blaugelb und trägt eine 18. Als er am Sonnabend mit seinem blaugelben Guidomobil auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz ankommt, erwarten ihn Junge Liberale – geschätzte 18 Jahre alt – in blaugelben T-Shirts mit einer 18 drauf. 18 Fischbrötchen haben sie für das Team geschmiert. Guido tritt über ein blaugelbes Treppchen – mit den Ziffern 1 und 8 – in die Menge, unterschreibt Autogrammkarten und besteigt schließlich ein blaugelbes Podest mit, na jetzt reichts aber, drauf.

Weil er keine Doris und keine Karin hat, ist er auch für das Lächeln selbst zuständig. Das tut er reichlich. Doch wer von Guido Westerwelle eine Lachnummer erwartet hat, der wird enttäuscht: Der Kanzlerkandidat redet wie alle Politiker, etwas flotter vielleicht und ohne „Äääähs“. Aber eben auch über Steuern, „Bodenschatz Bildung“, über Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit und darüber, wie die FDP alles besser machen würde. Ein paar Hundert Hamburger sind gekommen, sie klatschen verhalten, finden, „der kommt gut rüber“ oder „Gott, ist der schleimig“. Die „libertären Anarchisten“ halten ein Plakat hoch: „Moderne Regierungen brauchen keine Hofnarren mehr“, und Westerwelle erklärt, warum die Ziele der FDP Ernst seien, der Weg dahin aber Spaß machen dürfe. Dabei wirkt er nicht so, als hätte er Spaß. Eher wie jemand, der so tut als ob.

Ein Herr mit Fliege und 18-Sticker drängt sich durch die Menge zum Podest, „Entschuldigung, ich bin ja hier der Direktkandidat“. Es ist Philosophieprofessor Wolfgang Deppert. Er wünscht sich „mehr Freundlichkeit in Deutschland“, denn „in Verbissenheit entsteht keine Kreativität“. Auf seiner Visitenkarte steht „Es ist besser, unter Freunden zu leben als unter Feinden.“

Eine Liberale verteilt aus dem Guidomobil heraus Prospekte und Frisbee-Scheiben. In das Mobil selbst darf niemand rein, „aus Sicherheitsgründen“. Nur mal einen Blick werfen: blaue Sofas, gelbe Lampenschirme mit Fransen und einer blauen 18. Neben einer gelben Thermoskanne steht eine Schale Blaubeeren. Schlafen tut Guido hier übrigens selten, „aus Sicherheitsgründen“, sagt sein Wahlkampfmanager. Und fahren tut er den Bus auch „aus Sicherheitsgründen“ nicht.

Am Ende wünscht Guido den Menschen „Glück und Gesundheit“ und steigt in sein Mobil. Er winkt, die Tür schließt sich. Und dann fährt es davon, das geschätzte 18 Meter lange Guidomobil. Weiter auf die Reise, die wirken soll, als machte sie Spaß, die aber eigentlich eine ganz normale Wahlkampftour ist.

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