: Partie mit Endspielcharakter
Union Berlin gewinnt in Mannheim mit 2:1, doch Trainer Georgi Wassilev steht weiterhin unter Druck. Er wird erneut von Präsident Heiner Bertram attackiert
Jedes Jahr, wenn die Bundesligen im Hochsommer den Spielbetrieb aufnehmen, werden die mörderischen äußeren Bedingungen bei schwülwarmem Wetter beklagt. In der Tat sind etliche Spieler nach einer Augustpartie von erheblichem Wasserverlust gezeichnet. Das Leiden, das Georgi Wassilev, dem Trainer von Union Berlin, nach dem Spiel beim SV Waldhof Mannheim am Freitagabend ins Gesicht geschrieben war, hatte indes nur wenig mit dem Klima in der Kurpfalz zu tun.
Die Tatsache, dass seine Spieler soeben mit 2:1 gewonnen hatten, war ihm, als er den Raum der Pressekonferenz betrat, nicht unbedingt anzusehen. Aus seinen Gesichtszügen war die Anspannung nach einer Woche voller Diskussionen um seine Zukunft an der Alten Försterei in Köpenick immer noch deutlich abzulesen. Für eine Fotoserie mit dem Titel „Der gestresste Trainer“ hätte Wassilev an diesem Abend das ideale Modell abgegeben.
Eine Woche, gerade einmal zwei Spieltage ist die Saison nun alt, und es drängt sich die Frage auf, wie der bulgarische Übungsleiter Wassilev die Spielzeit psychisch durchstehen will. „Ich bedanke mich bei meinen Spielern“, meinte er nach dem Sieg in Mannheim, froh darüber, wenigstens ein wenig Rückendeckung von seiner Mannschaft bekommen zu haben. „Wir haben eine schwierige Woche erlebt, und das früh in der Saison“, sagte Wassilev, „es hätten uns schwere Tage bevorgestanden, wenn wir wieder verloren hätten.“
Vor der Partie hatte sich vor allem Stürmer Sreto Ristic für seinen Trainer stark gemacht: „Wir werden für Wassilev spielen“, hatte er den Willen zur Solidarität dargelegt. Nach der Niederlage gegen Mainz war noch die fehlende Einstellung der Mannschaft beklagt worden, Wassilev hat von mangelnder Motivation gesprochen und über die Geldgier seiner Mannen gewettert. Die Verantwortung für die schlechte Einstellung hatte er auf sich und den Druck von der Mannschaft genommen, sich selbst aber gehörig unter Druck gesetzt.
Sein Team hat es ihm mit einer recht ansprechenden Leistung in Mannheim gedankt. Immerhin ist es Wassilev gelungen, seine Mannschaft auf diese für ihn selbst freilich aufreibende Art zu motivieren. Mit Präsident Heiner Bertram als eiskaltem Engel im Rücken („Der Trainer wird das schon richten“) hat er eine Beziehung des Gebens und Nehmens zwischen sich und den Spielern aufgebaut. Ob diese Art des doch sehr persönlichen Verhältnisses lange funktionieren kann, bleibt zunächst abzuwarten.
Die Sticheleien des Präsidenten gehen unvermindert weiter. Nach dem Spiel gegen Waldhof fühlte er sich bemüßigt, die Äußerungen seines Trainers von der Vorwoche zu übersetzen: „Wir wissen ja alle, dass Herr Wassilev der deutschen Sprache nicht in all ihren Feinheiten mächtig ist“, meinte er süffisant und erklärte noch einmal, was eigentlich längst alle verstanden hatten. Da war sie also wieder, die kaum verhohlene Kritik an der Ausdrucksfähigkeit des Trainers. So spricht kein Chef, der seinem Angestellten bedingungslos den Rücken stärken will.
Ganz anders Wassilev, der offenbar einen neuen Umgang mit der Mannschaft pflegt. Vor Saisonbeginn hatte er noch die mangelnde Klasse von manchem Spieler beklagt, jetzt stellt er sich hinter sie. Der am Freitag in mehreren Szenen äußerst unglücklich agierende Daniel Ernemann, dessen Fehler auch zur Führung für Mannheim führte, bekam vom Trainer Zuspruch: „Er hat in der Vorbereitung überzeugt, und er hat weiterhin mein Vertrauen.“
Der General fährt den Schmusekurs. Er scheint auch eingesehen zu haben, dass er mit seiner Einschätzung, wonach die Neuzugänge die Mannschaft nicht unbedingt weiterbringen würden, wohl nicht ganz richtig lag. Mit Michael Molata, Salif Keita, der das Ausgleichstor erzielte, und Steffen Baumgart standen diesmal drei Neue in der Startformation und konnten durchaus überzeugen.
Der engagierte Auftritt der Berliner, der Sieg nach Rückstand, die gefällige Spielanlage, das alles müsste eigentlich für Ruhe sorgen an der Alten Försterei. Doch es herrscht eine merkwürdige Stimmung in Köpenick. Auch das nächste Spiel am Freitag gegen Oberhausen wird für Wassilev wohl wieder Endspielcharakter haben. „Jetzt haben wir Ruhe – bis zur nächsten Niederlage“, sagte Wassilev ahnungsvoll. Um den Spielern seinen Dank zu zeigen, spendierte er den Profis auf der nächtlichen Heimfahrt im Bus sogar Freibier.
ANDREAS RÜTTENAUER
SV Waldhof Mannheim: Nulle - Hoersen, Mea Vitali, Santos, Fickert (46. Licht) - Maximow (70. Zinnow), Otto, Camus, Everaldo - Nwosu (46. Popowits), Ivanov 1. FC Union Berlin: Beuckert - Menze - Molata, Nikol - Persich, Ernemann, Vidolov (78. Okeke), Koilov - Baumgart (72. Fiel), Keita (83. Divic), Ristic Zuschauer: 8.900Tore: 1:0 Camus (7.), 1:1 Keita (41.), 1:2 Ristic (59.)
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