vorlauf: „Club Cola“-Rum
„Süddeutsche TV – Diplomat ade!“ (Vox, 23.00 Uhr)
Es ist wenig, was übrig geblieben ist von früher, von der Villa in Kuba, vom breiten Dienstwagen, dem guten Verdienst. Der ehemalige Presseattaché im diplomatischen Dienst der DDR sitzt heute als Rentner in einer Ostberliner Gartenlaube. Sein Geld hat er sich zuletzt mit Tütenkleben für ein Versandhaus verdient. Gelegentlich bereitet er mit seiner Frau ein paar kubanische Cocktails zu, für die Nachbarn, die nachmittags in Jogginghosen vorbeikommen. Ein Schluck Erinnerung. „Es musste zu diesem Ende kommen“, sagt der Rentner im karierten Hemd.
Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung macht sich die Reportage „Diplomat ade!“ von Markus Thöß auf die Suche nach ehemaligen DDR-Diplomaten. Eine aufschlussreiche Dokumentation über die Abwicklung einer ganzen Berufsgruppe. Über Karrieren, die in schönen Häusern in Indien, Ägypten und Schweden beginnen und in tristen Zweizimmerwohnungen enden. Thöß zeigt seine Protagonisten privat, ohne sie deswegen gleich zu verraten. Ein gelungener Fernsehbeitrag.
Mit der Wiedervereinigung wurden Honeckers Diplomaten arbeitslos. Auf Anweisung des damaligen Außenministers Genscher wurde niemand von ihnen weiterbeschäftigt. Zwar weisen die Exdiplomaten noch heute jeden Vorwurf der Stasi-Mitarbeit zurück. Der Verdacht auf eine Verstrickung bleibt aber bestehen: Nur die Staatstreuesten durften die DDR im Ausland repräsentieren. Diplomat im Dienste Ost-Berlins hieß immer: fundierte Bildung, Sprachkenntnisse, ideologische Festigkeit und Immunität den Verlockungen des Westens gegenüber.
So hat es nur der ehemalige DDR-Außenminister Arne Seiffert geschafft, weiter zu reisen. Als politischer Berater für die OSZE besucht er gelegentlich die Bürgerkriegsregion Tadschikistan. Die anderen Botschafter schlagen sich jetzt in Deutschland als Schneeräumer, Hilfsarbeiter oder ABM-Kraft durchs Leben. Viele von ihnen halten noch untereinander Kontakt. Eine Gruppe von Exdiplomaten trifft sich zum Beispiel weiterhin einmal die Woche in einem grauen Bürogebäude in Ostberlin. Dort besprechen die alten Männer die weltpolitischen Ereignisse, hören sich selbst gegenseitig ein bisschen beim Reden zu. KIRSTEN KÜPPERS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen