: Der verkannte Noteingang
Die „Kampagne Noteingang“ für bedrohte Migranten wird von ihre Initiatoren als Erfolg gefeiert. Bei vielen Einzelhändlern ist sie jedoch entweder nicht bekannt oder wird gar vehement abgelehnt
von ANETT KELLER
Jeder kennt das Schild an Türen, in Treppenhäusern, in Kellergängen. Es ist grün, ein Männchen, ein Pfeil und eine Tür sind drauf. Notausgang. Wie bekannt sein orangefarbenes Pendant ist, darüber zog gestern die „Kampagne Noteingang“ Bilanz.
Vor zwei Jahren kamen Jugendliche im Skinhead-geplagten Bernau auf die Idee, die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Am helllichten Tag waren damals in dem brandenburgischen Städtchen ein Gambier und ein Vietnamese von Rechtsextremen überfallen und verletzt worden. Das Projekt „Noteingang“ wurde geschaffen. Auffallendstes Kennzeichen: ein Aufkleber für Ladentüren, Fensterscheiben in Bussen und Taxen. Leuchtend orange, im DIN-A-5- Format. „Wir bieten Schutz vor rassistischen Übergriffen“ steht auf Deutsch, Englisch, Türkisch und Französisch unter dem Männlein, das auf eine Tür zuläuft.
In Berlin hatten damals der Internationale Bund (IB), die Grünen und der Einzelhandelsverband die Kampagne aufgegriffen und 10.000 Aufkleber gedruckt. Nach einer Fragebogenaktion äußern sich die Initiatoren nun zufrieden. 48 Prozent der Befragten sei der „Noteingang“ ein Begriff. Die Kampagne sei „regelrecht ansteckend“, so die Grüne Landeschefin Regina Michalik. Manfred Ritzau vom IB betont, dass es mit dieser Aktion nicht getan sein dürfe. Deshalb setze der IB mit Schulungen von Multiplikatoren, die Jugendlichen Geschichtskenntnis vermitteln sollen, das Programm fort. Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Berliner Einzelhandelsverbandes, freut sich, dass er den Aufkleber „sowohl im Blumenladen um die Ecke als auch im KaDeWe“ vorfindet. Schulterklopfen, noch Fragen?
Eine Journalistin aus Namibia verwirrt die Initiatorenrunde mit der Frage, wie sie dieses Zeichen denn auch im Ausland empfangen könne. Warum ihr in der deutschen Botschaft in Namibia nicht gesagt werde: „Wenn du dieses Symbol siehst, bekommst du Hilfe.“ Gute Idee, finden die Initiatoren, man werde das an die Botschaften geben.
Vielleicht sollte man es aber erst mal vor der Haustür versuchen. Die 172 Fragebögen, auf die die Kampagne ihren Erfolg begründet, wurden an Schulen, Bezirksämter, Post und Bahn verschickt – die sich ohnehin beteiligen. Zwar prangt der Aufkleber in Bussen und Bahnen und Institutionen von IG Metall bis Abgeordnetenhaus. In kleineren Geschäften ist er jedoch entweder unbekannt oder unbeliebt.
„Den hab ich sofort in die Mülltonne geworfen“, erklärt die Inhaberin der Bären-Apotheke in der Leipziger Straße. „Ich habe zwar großen Respekt vor Minderheiten, aber die Sicherheit meiner Mitarbeiter ist mir wichtiger.“ In der Bäckerei Kiran in der Hermannstraße würde man den Aufkleber sofort anbringen, wenn der Chef es erlaube. Schräg gegenüber bei Zauberkönig sieht es braun aus für den Aufkleber. Der Seniorchef: „Wenn ich schon Rechtsextremismus höre, geht mir der Hut hoch.“ Wenn „bestimmte Kreise“ die Wirtschaftsmacht in der Hand hielten, käme es halt erst mal zu vielen Arbeitslosen und dann zu Gewalt, das lehre die Geschichte. Der Inhaber von Tunatur in der Neuköllner Herrfurthstraße demonstriert zwar schriftlich, dass sein Geschäft eine „dioxin-freie Zone“ ist, für den Aufkleber hat er aber nichts übrig.
In wie vielen Fällen hat der „Noteingang“ geholfen? Dazu gibt es keine konkreten Angaben. „Aber“, so heißt es auf Nachfrage, „es geht ja hauptsächlich um symbolische Solidarisierung.“
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