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Becker ist der beste Alte

Das Duell der Tennisrentner im Grunewald entscheidet Boris Becker (34) knapp mit 7:5, 6:4 gegen Michael Stich (33). Anschließend tauschen beide Höflichkeiten aus

Sie können es noch fast so gut wie früher: Mit einer wundervollen Reise in die glorreiche deutsche Tennisvergangenheit haben Boris Becker und Michael Stich die Berliner Fans verzückt. Bei Beckers 7:5, 6:4-Erfolg im äußerst unterhaltsamen und ansehnlichen Duell der beiden charismatischen Wimbledon-Sieger kam angesichts fehlender Nachfolger aber auch Wehmut auf.

„Seine Technik war da, das war ja nicht zu glauben. Noch ein paar Wochen Training, und er ist wieder top. Ich war froh, dass sein Aufschlag nicht so kam“, lobhudelte Sieger Becker über Stich. „Es hat Riesenspaß gemacht. Dafür, dass ich fünf Jahre nicht gespielt habe, war Boris manchmal ein bisschen zu schnell“, retournierte ebenfalls dem Anlass entsprechend höflich Michael Stich.

Ein gemeinsames Doppel im Daviscup-Abstiegsspiel gegen Venezuela im kommenden Monat schloss Kapitän Stich nach der Partie allerdings aus.

Während ihrer Profikarrieren hatten sich die Doppel-Olympiasieger von 1992 zwölfmal gegenübergestanden, acht Begegnungen gewann Becker. Im Wimbledon-Finale am 7. Juli 1991 hatte Stich dem Leimener jedoch dessen schmerzlichste Niederlage zugefügt und ihm den vierten Triumph in seinem „Wohnzimmer“ verwehrt.

7.000 Zuschauer auf dem seit längerem ausverkauften Center Court des LTTC Rot-Weiß im Berliner Grunewald spendeten um 15.13 Uhr Standing Ovations, als die beiden großen deutschen Tennisspieler den Platz betraten. Boris Becker wirkte unter dem Jubel fast nachdenklich, Michael Stich strahlte dagegen und genoss seinen ersten Auftritt seit seinem zu frühen Karriereende 1997 sichtlich.

Danach zeigten die beiden einstigen Weltklasseprofis, dass sie auch nach ihren Glanzzeiten wenig verlernt haben. Der regelmäßig auf der Seniorentour aktive Becker beeindruckte auf dem nie recht geliebten roten Sand mit seinem kraftvollen Spiel und nahm Stich gleich den Aufschlag ab.

Doch der deutsche Daviscup-Kapitän, den einst eine Schulterverletzung zum Ausstieg aus dem Profitennis gezwungen hatte, fand sich erstaunlich schnell zurecht und bestach wie früher durch Eleganz und sein unnachahmliches Ballgefühl. Auch von mangelnder Fitness war nur wenig zu spüren, sodass die Fans eine Vielzahl spektakulärer Ballwechsel und herrlicher Gewinnschläge geboten bekamen.

Trotz allen Einsatzes und des beim 34-jährigen Becker anfangs etwas höher ausgeprägten Ehrgeizes fehlten der Spaß und einige Zirkuseinlagen nicht. Auch die Zurufe des Publikums sorgten für Heiterkeit.

Als Stich nach seinem ersten Ass die Faust ballte, wurde er aufgefordert, Emotionen zu zeigen. Der 33-Jährige antwortete: „Ich gehe voll aus mir raus!“ Als ein Fan „Becker, wir lieben dich!“ rief, fügte ein anderer hinzu: „Immer noch!“

Kurz vor dem Ende der immer lockerer werdenden Partie gab es noch einen gemeinsamen „Protest“ bei Schiedsrichter Rudi Berger. Becker warf einen Schuh des Unparteiischen ins Publikum, Stich den anderen in die Kühltruhe.

Zu den Ehrengästen gehörten auch der jetzige Präsident des Deutschen Tennis Bundes (DTB), Georg von Waldenfels, und der frühere DTB-Chef Claus Stauder, zu Glanzzeiten von Becker, Stich und Steffi Graf an der Spitze des Verbandes. Beide saßen allerdings säuberlich voneinander getrennt in zwei verschiedenen Blöcken. DPA, TAZ

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