Radelnd emanzipiert

Mountainbikeprofi Sabine Spitz gewinnt bei der WM in Kaprun erneut Bronze und darf das als Bestätigung ihres Lebenswegs gewertet wissen

aus Kaprun SEBASTIAN MOLL

Seit einem Jahr ist Sabine Spitz eine professionelle Mountainbikerin. Zu einem professionellen Training gehört es im Mountainbike-Sport, sich bei Straßenrennen Kondition zu holen, und so fuhr Spitz in diesem Juli bei der Thüringen-Rundfahrt der Straßenprofis mit. Wohl fühlte sie sich dabei nicht, auch wenn sie achtbare Siebzehnte wurde. „Straßenrennen sind Mannschaftssport“, erläutert Spitz den Unterschied zwischen den beiden Radsportarten. „Da ist man von anderen abhängig.“ Wenn Sabine Spitz etwas hasst, dann ist es Abhängigkeit.

Im Gegensatz dazu war das Cross-Country-Weltmeisterschaftsrennen am Sonntag in Kaprun – in dem Sabine Spitz hinter der Norwegerin Gunn-Rita Dahle und der Polin Anna Szanfraniec die Bronzemedaillen gewann – ganz nach dem Geschmack der 31 Jahre alten Profi-Bikerin aus Murg-Niederhof. Im Morgengrauen hatten Wolkenbrüche eingesetzt und den ohnehin schweren Kurs in eine glitschige Schlammbahn verwandelt. Eine Bachüberquerung, die als Schikane eingebaut worden war, wurde zur Durchwatung eines reißenden Stroms, eine Wiesentraverse zur Rutschpartie mit blockierten Rädern. „Heute“, strahlte Sabine Spitz im Ziel, „musste jede für sich schauen, wie sie durchkommt.“

Ihre Abneigung, von anderen abhängig zu sein, war es, die Spitz überhaupt zum Mountainbikesport getrieben hatte. Ehemann Ralf Schäuble fuhr Mountainbikerennen, als die damalige Chemielaborantin aus dem Südschwarzwald ihn vor rund zehn Jahren kennen lernte. Ein paarmal schaute Sabine Spitz sich das Ganze vom Streckenrand aus an, doch auf die Dauer war ihr das zu langweilig. Die klassische Rolle der umsorgenden Fahrerfrau war nichts für sie, und so kaufte sie sich selbst ein Mountainbike. Es war die folgenreichste Kaufentscheidung ihres Lebens: Das Gefährt wurde für sie ein Vehikel zur Emanzipation. Auf dem Bike konnte sie aus ihrem ungeliebten Alltag bei einer Firma für Schleifmittel in Bad Säckingen ausbrechen und sich eine selbst bestimmte Existenz als erste deutsche Berufs-Mountainbikerin zusammenzimmern.

Doch der Weg von der Zuschauerin zur Weltklassefahrerin war ein langer, an dessen Anfang vor allem Wagemut stand. So, wie sie sich heute steile Pfade hinabstürzt, stürzte sich Sabine Spitz in das Abenteuer Mountainbike-Karriere – ohne zu wissen, ob sie dabei heil ins Ziel kommt: 1994 nahm Spitz an ihren ersten Rennen teil. Das gefiel ihr so gut, dass sie 1995 gleich zur WM wollte. Die fand in Kirchzarten, nicht weit von ihrem Heimatort, statt, und überraschenderweise schaffte sie die Qualifikation. Dieses erste WM-Erlebnis befeuerte ihren Entschluss, ihre bisherige Existenz hinter sich zu lassen und vollends mit der jungen Funsportart zu verschmelzen, nur noch mehr. Obwohl weltweit nur wenige und in Deutschland bis dato keine Frau vom Mountainbiken leben konnte, kündigte Spitz ihren Job: „Ich war in meinem Beruf total frustriert“, erinnert sie sich.

Doch bis Spitz tatsächlich von ihrem Sport leben konnte, dauerte es noch sechs Jahre. Jahre in denen sie im Radsportgeschäft ihres Mannes aushalf, trainierte – und auf ihr Talent vertraute. Einmal, 1998, musste sie ihr Auto verkaufen, um sich die Reisen zu den Weltcups leisten zu können.

Der Knoten, erinnert sich Sabine Spitz, sei eigentlich erst 2000 geplatzt. Da wurde sie Neunte der Olympischen Spiele. „Da wurden jeden Abend auf der ‚MS Deutschland‘ die Medaillengewinner geehrt und ich wusste, dass ich da irgendwann unbedingt dabei sein will“, sagt sie. Ihr Ehrgeiz erhielt einen erneuten Schub – und dieser führte dazu, dass sie 2001 endgültig in die Weltspitze vorstieß: Sie wurde EM-Zweite, Zweite der Weltrangliste, schließlich auch noch WM-Dritte. Vor allem aber bekam sie einen Profivertrag beim Team Merida, einem taiwanesischen Radhersteller.

Mit der neuerlichen WM-Medaille und einem Weltcupsieg in diesem Jahr ist ihr Auskommen als Mountainbikeprofi erst einmal gesichert. Zumindest bis zu den Olympischen Spielen in Athen. Wie in Sydney werden dort wohl die Medaillengewinner der deutschen Delegation abends gefeiert werden. Sabine Spitz freut sich schon darauf.