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Verdammt sexy

Das 0:1 verlorene Pokalmatch gegen Werder Bremen erfüllt den Eisenhüttenstädter Fußball mit Optimismus

EISENHÜTTENSTADT taz ■ „Stahl ist sexy“ stand auf den Leibchen der Eisenhüttenstädter. Dann streiften sie es ab, stellten sich dem SV Werder Bremen in schwarzweißen Trikots und legten einen mutigen Kick an den Tag. Der Slogan ist als Antithese zur verstehen. Denn sexy ist in Eisenhüttenstadt wenig. Das finden selbst die Einwohner. Über 10.000 sind seit der Wende weggezogen. Geblieben sind 40.000, deren Abwanderungsgedanken von der Eigenwerbung „Hütte find ich gut“ nur provisorisch übertüncht werden. Zentrum der Stadt ist ein Stahlwerk, dessen Schlote den Horizont beherrschen. Unsexy ist obendrein, dass die Stadt kürzlich knapp an der Zwangsverwaltung vorbeigeschlittert ist und sich keinen Kulturbeauftragten mehr leisten kann. Kultureller Höhepunkt ist nichtsdestotrotz eine Ausstellung, die Design und Gebrauchsgüter der DDR-Zeit archiviert.

Werder Bremen schaffte den Pokalsieg über den EFC Stahl nach einem frühen Kopfballtor von Charisteas (10.), tat sich aber im „Stadion der Hüttenwerker“ so schwer, dass es den 200 Werder-Fans wie eine Ewigkeit erschien, bis der Schiedsrichter endlich abgepfiffen hatte und Trainer Thomas Schaaf sagen durfte: „Für uns zählt nur, dass wir weitergekommen sind.“

Äußerst sexy war natürlich das Los: ein Bundesligist, der einen Zustrom von Interesse und Zuschauern versprach. Normalerweise verirren sich nur 150 treue Seelen ins Stadion zu Spielen der Oberliga Süd gegen Optik Rathenow oder Motor Eberswalde. Diesmal sollten 6.000 kommen. Harry Rath hatte dafür viele Trommeln gerührt. Rath (46), früher selbst im defensiven Mittelfeld bei Stahl aktiv, ist der Mann für alle Details. Er ist Manager, Chef der Geschäftsstelle, Trainer, Kartenabreißer und, wenn es sein muss, Pförtner. Er wollte mit diesem Spiel eine in Lethargie befindliche Fußballgemeinde zum Leben erwecken, ließ deshalb einen regionalen Radiosender eine Show-Bühne aufbauen, ein Bierzelt errichten, organisierte eine Fußballausstellung im Einkaufszentrum, die Presse druckte verschwommene Ratebildchen der EFC-Spieler, und eine Verlosung gab’s auch. (Die Mikrowelle gewann übrigens die Mutter eines Spielers.)

„Hier hat der Zuschauer wenig Geduld, er will Erfolge sehen“, erklärte der rührige Rath nach dem Spiel. Die Ungeduld der Hüttenstädter hat viel mit der jüngeren Vergangenheit zu tun. Der EFC spielte in der DDR meist erst- oder zweitklassig, 1991, als es die Oberliga noch gab, gelangte „Hütte“ ins Pokalfinale gegen Hansa Rostock, unterlag zwar, durfte aber im Europacup der Pokalsieger antreten, wo man in der ersten Runde gegen Galatasaray Istanbul ausschied. Dann folgte im großen 91er-Jahr noch ein Match im Supercup gegen Bremen (0:1), das immerhin dazu taugte, das Spiel am Samstagnachmittag als „Revanche“ zu inszenieren. Nach 91 ging es abwärts mit Raths Truppe. 1998 sprang noch einmal Platz drei in der Regionalliga heraus, das anschließende Experiment mit „Exoten und Ausländern“ (Rath), meist verpflichtet von Polonia Warschau, scheiterte.

„Stahl ist sexy“ leuchtete auch vom T-Shirt des Spielmachers Carsten Moritz. Er verkörpert, nimmermüde rackernd, ein wenig den verblassenden Proletkult der Stahlstädter. Wie zehn seiner Mannschaftskollegen arbeitet er im EKO-Stahlwerk, als Anlagenwart. „Ich hab’ die ganze Woche gestemmt, nicht so larifari“, sagte er mit hochrotem Kopf nach der Begegnung und trauerte der entgangenen Pokalsensation nach, die „verdammt sexy“ gewesen wäre. „Werder war gar nicht so stark, überhaupt nicht sattelfest“, stellte er ganz richtig fest. „2,5 Hundertprozentige“ machte Harry Rath aus, als er im mit reichlich Mitropa-Patina überzogenen Pressesaal des „Hauses der Werktätigen“ die Zukunft des Vereins taxierte. Auch Werders Coach Schaaf gab zu: „Einiges passt bei uns noch nicht so.“

Dass beim EFC vieles nicht passt, davon kann Rath ein Lied singen. Vor der Saison hat EKO die Zuwendungen gekürzt, um 100.000 Euro. Jetzt liegen sie nur noch im fünfstelligen Bereich. Immerhin: „Es waren wenigstens ein paar Herren von der Geschäftsleitung im Stadion, endlich, jetzt wissen sie, dass hier ordentlicher Fußball gespielt wird.“ Beschweren wolle er sich aber keineswegs, denn „wenn EKO mal dichtmacht, könnse die Stadt auch gleich abbauen“. Raths Saisonziel: Kampf gegen den Abstieg. Dann wieder vor einer Kulisse von 100 Unverzagten.

Wenigstens finanziell ist die Saison gerettet. Die 52.000 Euro vom DFB für die erste Pokalrunde reichen bis zum nächsten Jahr. Und von den Zuschauergeldern bleibt auch ein ansehnlicher Betrag in Hütte. Statt 6.000 gab der EFC nämlich nur 2.450 Zuschauer an. Das ist nicht sexy, aber schlau. MARKUS VÖLKER

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