: „Wenn nichts passiert, bin ich weg“
Geld? Interessiert ihn nicht. Nur das Versprechen des Senators. Und der hat dem neuen Generalmusikdirektor Lawrence Renes 87 Orchesterstellen in Aussicht gestellt. Bislang hat ihm die Arbeit mit dem Orchester aber ganz fantastisch gefallen
Sein erstes Konzert steht noch bevor: am 12 September Gustav Mahlers 9. Sinfonie D-Dur beim Musikfest. Einen Tag später dirigiert Lawrence Renes die Aida im Theater am Goetheplatz – mit 81 Festangestellten und etlichen Aushilfen im Orchester. Haben will der neue Generalmusik Direktor aber 87 feste Stellen, die ihm im Vertrag in Aussicht gestellt wurden.
taz: Wie steht es denn nun mit der Besetzung der Stellen? 87 haben Sie zur Bedingung gemacht, so weit sind wir noch nicht.
Lawrence Renes: Das wird jetzt ein Problem. Wir sind jetzt 82, und 87 sind meine Bedingung. Wenn in absehbarer Zeit nichts passiert, bin ich weg.
Aber es war eigentlich von vornherein klar, dass mit einer Millionen Euro mehr, die das Orchester bekommen hat, 14 neue Stellen, 1 Orchesterbüro und ein professioneller Geschäftsführer nicht zu realisieren sind ...
Mich interessiert kein Geld. Mich interessiert das Versprechen des Senators.
Die Stimmung im Orchester war aus verschiedenen Gründen – einmal das Zerwürfnis mit Neuhold, zum anderen der zermürbende politische Kampf – am Ende der letzten Saison auf dem Nullpunkt. Wie ist es jetzt?
Fantastisch. Alle sind hochmotiviert und ich bin von den ersten Proben total begeistert.
Sie sind mit Ihren 31 Jahren sehr jung – für eine solche Position. Das traditionelle Berufsbild des Dirigenten, des Orchesterdiktators, ist überwunden. Was zeichnet den modernen Orchesterleiter aus?
Im Geschäftsleben gibt es einen Begriff: peoples management. Diese Prinzipien sind auch hier wichtig. Damit ich das Beste erreichen kann, müssen die Leute Spaß haben und motiviert sein. Auch so etwas wie „Das ist falsch“, oder „Das ist nicht gut“, finde ich völlig altmodisch. Das muss man gemeinsam machen. Wir haben für den ersten Ton für Mahlers Neunte über fünf Minuten lang einen Klang ausprobiert.
Welche Dirigenten schätzen Sie?
Das hängt vom Repertoire ab. Bernhard Haitink, Leonhard Bernstein, Herbert von Karajan, für Mozart-Sinfonien Nikolaus Harnoncourt, nicht jedoch für Mozart-Opern: da wählt er Tempi, die ich ganz falsch finde. John Eliot Gardiner: der geht an den Rand dessen, was möglich ist.
Sie dirigieren im Musikfest die neunte Sinfonie von Gustav Mahler, die man auch eine Untergangs- und Auferstehungssinfonie genannt hat. Warum haben Sie dieses Werk für Ihren Einstand gewählt?
Ich habe mich lange mit Mahler beschäftigt. Dieses Werk ist derart reich an Emotionen: Ich wollte unbedingt ein Stück machen, das meine Beziehung zum Orchester zeigt und umgekehrt.
Denkt man einmal an diese diese unglaubliche Langsamkeit, an das Ausschlachten so vieler elementarer Teilchen – was ist für Sie das Schwierigste?
Es muss fast schizophren sein, von einer in die andere Emotion. Dieses Adagio, von dem Sie gesprochen haben, ist ja fast Zen. Das Orchester darf keine Reserven mehr zeigen.
Sie haben ja in der Pressekonferenz gesagt, dass Sie gerne viel Verdi machen möchten. Was ist es, was Sie hier so fasziniert?
Verdi und Mozart sind die beiden Komponisten, die am meisten von den Menschen verstehen. Da gibt es keine gradlinigen Charaktere, sondern schillernde Menschen. Die Amneris zum Beispiel, die wird so oft als Hexe dargestellt. Dabei ist sie doch – und das macht Verdis Musik vollkommen klar –eine junge Frau, die nach Liebe sucht.
Wie ist die Zusammenarbeit mit David Mouchtar-Samurai?
Er ist sehr großzügig. Er lässt uns den Raum, um Musik zu machen. Wir sprechen über die Rollen, wir versuchen, die Menschen zu verstehen. Er legt nicht alles fest. Ich sag es mal so: Er schafft einen Denkraum für jeden. Es wird u n s e r Abend!
Sie werden sowohl Oper als auch Konzert machen. Gibt es eine Vorliebe?
Nein. Beides gleich.
Ein Blick ins Programm der Philharmonischen Konzerte zeigt: das Schwergewicht liegt auf der großen Orchestersinfonik des neunzehnten Jahrhunderts ...
Zunächst einmal finde ich es richtig, dass ich mich mit dieser Literatur vorstelle. Dann aber möchte ich gerne nicht unbedingt innerhalb des Repertoires denken, sondern in Projekten. Und diese dann gezielt und langfristig planen. Was wollen wir? Wen wollen wir ansprechen? Wie sprechen wir Jugendliche an? Dann bekommt man Antworten für die Auswahl der Stücke.
Und Sie haben auch noch andere Pläne mit Jugendlichen?
Ja, ich gehe in die Schulen, und ich möchte öffentliche Proben anbieten.
Und zeitgenössische Musik?
Generell möchte ich viel mehr zwanzigstes Jahrhundert machen. Ich bin der Meinung, dass man nicht auf Besucherzahlen schielen darf. Wir haben als öffentliche Institution einen Kulturauftrag und der liegt unter anderem darin.
Der Intendant orientiert sich gerne an Besucherzahlen.
Da werden wir noch drüber sprechen.
Fragen: Ute Schalz-Laurenze
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen