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Kadaver dümpeln vor der Küste

Zahl der toten Seehunde wird weiter steigen, befüchten Experten. Population werde sich aber rasch erholen

Der Höhepunkt des Seehundsterbens ist nach Auffassung von Thomas Borchardt vom Nationalparkamt in Tönning noch nicht erreicht: „Wir wissen aus vielen Quellen wie Fischer und Sportbootfahrer, dass vor der Küste zahlreiche tote Tiere dümpeln.“ Bisher sind der Epidemie in Nord- und Ostsee seit Mai knapp 6900 Seehunde erlegen, davon 423 vor Schleswig-Holsteins Küsten. Insgesamt gibt es in der Nordsee 43.000 Seehunde; von den 13.700 an der deutschen Wattenmeerküste lebt etwa die Hälfte in Schleswig-Holstein. Wie sich das Geschehen in den nächsten Monaten entwickeln werde, sei offen, meinte Borchardt: „Da wagt kein Experte eine Prognose.“

Für ein Ende der Infektionskette spreche jedoch, dass die Seehunde sich in den nächsten Wochen in die Nordsee zurückziehen. Die Epidemie 1988 sei so dramatisch verlaufen, weil das Virus die Population im Frühsommer traf. Der Beginn der Wurfzeit sei die Phase der intensivsten sozialen Kontakte, erklärte Borchardt: „Die Seehunde liegen dann dicht und dicht auf den Sandbänken, und das Ansteckungsrisiko ist groß.“

Zu besonderer Vorsicht beim Umgang mit erkrankten Seehunden rät der Seuchenexperte der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Wolfgang Baumgärtner. Spaziergänger sollten einen Abstand von mindestens 100 Metern zu den erkrankten Tieren halten. Bei Bissverletzungen sollte ein Facharzt aufgesucht werden. Für Menschen bestehe aber keine Infektionsgefahr, ebenso nach bisherigen Erkenntnissen nicht für Hunde, die gegen Staupe geimpft seien. „Wer an der Küste kranke Tiere entdeckt, sollte umgehend die nächstgelegene Seehundstation oder die Behörden über den Fund informieren“, rät der Pathologe.

Seuchen wie die Seehundstaupe träten immer wieder auf, sagte Baumgärtner. Katastrophal sei eine solche Epidemie nicht: „Wir erwarten nach den Beobachtungen vergangener Seuchen, dass sich die Seehund-Population rasch wieder erholen wird.“ LNO

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