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Geheimtipp mit Schwächen

Gelungene Heimpremiere zur neuen Eishockeysaison: Beim 6:3 überzeugen die Eisbären mit starkem Offensivspiel gegen die schwachen Krefelder Pinguine

„Die waren so schlecht, weil wir so gut waren“

Über 4.600 Eishockeyfreunde fanden Sonntagabend bei schönem Sommerwetter den Weg zum Wellblechpalast, und auch Eisbären-Geschäftsführer Detlef Kornett ließ sich die Heimpremiere seines Clubs gegen die Krefeld Pinguins nicht entgehen. Der Europachef der Anschutz Entertainment Group, die über eine Tochterfirma alleiniger Gesellschafter des Vereins ist, gelobte, dass Eishockey in Berlin jetzt positiv verkauft werden soll – was nach dem Zwangsabstieg des Lokalrivalen Berlin Capitals in die Regionalliga nicht schwierig sein sollte – und dass die Eisbären in der neuen Saison mit offensivem Spiel begeistern wollen.

Ein wenig Understatement also, hatten doch zwei DEL-Trainer den EHC als Geheimfavoriten eingestuft und Eisbären-Coach Pierre Pagé zuvor den Titel als Ziel proklamiert. Nachdem Kornett vage die sportlichen Koordinaten umrissen hatte, eierte der smarte Manager über das Eis und ermittelte den Gewinner eines Mountainbikes. Und Bully, das neu benannte Eisbären-Maskottchen, schlitterte dazu in aller Ruhe auf den Kufen übers Eis.

Letzteres taten wenig später auch die Profis, allerdings in der üblichen Betriebshektik. Coach Pagé, der seit Januar 2002 die sportlichen Darbietungen verantwortet, setzte auf Talente, nachdem zwölf Spieler den Verein verlassen hatten und acht Mann neu hinzugekommen waren.

An guten Nachwuchsspielern, etwa dem 18 Jahre alten Danny Pyka oder dem 19-jährigen Alexander Barta, mangelt es nicht. Die beiden Stürmer hatten ihren Anteil daran, dass die von Pressesprecher Moritz Hillebrand prognostizierte Angrifflust („Wir sind neben Mannheim die Einzigen, die offensiv spielen“) umgesetzt wurde.

Sie leisteten nicht nur die Vorarbeit zum 5:1 durch Yvon Corriveau, sondern beteiligten sich an den vielen schnellen Kombinationen, die die Krefeld Pinguins ständig in Verwirrung stürzten, aber die EHC-Anhänger in große Euphorie. „Die waren so schlecht, weil wir so gut waren“, resümierte Eisbären-Stürmer Sven Felski nach dem 6:3-Endergebniss nicht ganz korrekt die Partie.

Denn was Felski, mit 454 Einsätzen der Rekordspieler, gerne ausblendete, war seinem Vorgesetzten Pagé nur zu bewusst. Zum Beispiel die vielen Zeitstrafen. Im Spiel gegen die Krefelder Pinguine registrierte der Frankokanadier acht zweiminütige Strafen seiner Mannen, Stürmer Martin Hoffmann bummelte sogar vier Minuten wegen Ellenbogenchecks und überharten Einsatzes ab.

Glück für die Hohenschönhauser, dass die Gäste ihre Überzahl erst dann zu ihren letzten beiden Treffern ummünzten, nachdem das Spiel bereits entschieden war und die Gastgeber lockerer zu Werke gingen.

„This team has a habit of getting penalties“, zuckte Pagé die Schultern und erinnerte an das am Freitag in Mannheim absolvierte Auftaktmatch, in dem Florian Keller und Rob Leask bereits nach zehn Minuten ihre Einsätze unter der Dusche Revue passieren lassen konnten – und der EHC die Partie unnötig mit 4:6 verlor.

Zwar schwärmte Chef-Übungsleiter Pagé von seinen beiden Abwehrspezialisten John Gruden und Keith Aldridge („They give us a lot of speed“), musste aber gleichzeitig einräumen, dass deren alternde Defensivkollegen Ricard Persson und Bradley Bergen mehrfach von den schnellen Pinguin-Stürmern vor allem im ersten Drittel überrannt wurden. Bleibt also die Frage, was eine überdurchschnittliche Angriffsabteilung nützt für die angestrebten Play-offs oder gar zum Titel, wenn die Defensive wackelt.

Da in dieser Saison die auf 14 Clubs reduzierte DEL in ihrer Leistungsdichte noch enger aneinander gerückt ist, dürfte die Klasse der Verteidiger wichtiger sein als je zuvor. Schließlich wollen die Eisbären doch den kühlen Kufensport wieder positiv in Berlin verkaufen. MARCUS VOGT

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