: Lethargische Teufel im Tiefschlaf
Auch mit Eric Gerets als Trainer bietet der 1. FC Kaiserslautern das alte, jämmerliche Bild – und ein 1:1 gegen Bielefeld
KAISERSLAUTERN taz ■ Alles an Eric Gerets sah nach Enttäuschung aus. Der neue Mann beim 1. FC Kaiserslautern hatte deutlich Sorgenfalten auf der Stirn, und auch sonst wirkte er tief in sich vergraben. Mit einem 1:1 war kurz zuvor das Heimspiel der Pfälzer gegen Arminia Bielefeld zu Ende gegangen, und das muss doch sehr ernüchternd gewesen sein für Gerets, den belgischen Fußballlehrer. Dabei hatte er schon nach sechs Spielminuten seine zuvor verschränkten Arme in die Höhe gerissen und einen wütenden Schrei ausgestoßen, um sein lethargisches Personal aus dem tiefen Schlaf zu reißen und nach vorne zu treiben. Vergebens, denn die Mannschaft, zusammengestellt von seinem Vorgänger Andreas Brehme, verstand Gerets Signale nicht und verharrte in ihrer lähmenden Angst davor, nach einem verkorksten Saisonstart noch weiter zu versagen. Obwohl namentlich durchgehend besser besetzt als die frech aufspielenden Ostwestfalen, gelang es den Pfälzern jedenfalls zu keinem Zeitpunkt, das Chaos, das den Klub in den vergangenen Wochen und Monaten an den Rand des Abgrunds getrieben hatte, aus ihren Köpfen zu vertreiben. Vor allem der Schweizer Ciriaco Sforza, ablösefrei von Bayern München und schon zum zweiten Mal in die Pfalz zurückgekommen, stand hinterher in der Kritik der Zuschauer, die ihn schon bei seiner Auswechslung in der 74. Minute mit Pfiffen verabschiedet hatten. „Sforza ist ein großer Spieler gewesen“, wählte auch Gerets die Vergangenheitsform – und bemühte das Prinzip Hoffnung: „Wenn er noch zehn Prozent zulegt, wird er wieder der Alte sein.“
Viel mehr als die Hoffnung bleibt den Pfälzern derzeit ohnehin nicht. Angefangen bei dem immer öfter indisponierten und zuweilen gefährlich übermotivierten Torhüter Georg Koch über die unsichere Abwehr um den schwachen Thomas Hengen bis hin zu einem quasi nicht vorhandenen Mittelfeld standen sich die Lauterer meist selbst im Weg. Fehlpässe am laufenden Band und ein ungenügendes Spiel über die Flügel ermöglichten den allein gelassenen Spitzen Klose und Lokvenc kaum Chancen. „Andy Brehme!“, skandierten die sarkastischen Arminen-Fans zur Pause – und trafen damit den Nagel auf den Kopf: Die Roten Teufel spielten tatsächlich so, als hätte Eric Gerets dem entlassenen Weltmeister von 1990 Aufstellung und Einstellung seines Teams selbstlos überlassen.
So wurde den FCK-Fans schneller als befürchtet vor Augen geführt, dass der Trainerwechsel fürs Erste nichts bewirkt hat. „Wir haben es uns sehr schwer gemacht und die Bälle zu oft von hinten nach vorne geschlagen anstatt Fußball zu spielen. Das müssen wir wieder lernen“, versuchte Gerets dennoch, den Blick nach vorne zu richten – auf das Spiel am Sonntag beim Hamburger SV. Davor freilich zürnte er noch ein wenig mit dem eigenen Anhang: „Wenn uns die Zuschauer auspfeifen, steigert das nicht unbedingt das Selbstvertrauen der Spieler“, beklagte sich Gerets über das Pfälzer Publikum, das angesichts der Erfolge vergangener Tage immer noch zum Größenwahn tendiert. Gerets, als Spieler und Trainer mit dem FC Brügge und PSV Eindhoven an Meisterschaften und internationale Erfolge gewöhnt, muss nun schnell begreifen, dass er mit dem 1. FC Kaiserslautern mitten im Existenzkampf steckt, der eine ganze Region aufwühlt.
GÜNTER ROHRBACHER-LIST
1. FC Kaiserslautern: Georg Koch - Lembi, Hengen, Knavs - Basler, Harry Koch, Sforza (71. Ratinho), Lincoln (66. Dominguez), Riedl - Klose, Lokvenc Arminia Bielefeld: Hain - Hansén, Reinhardt, Bogusz - Cha (74. Lense), Kauf, Dabrowski, Dammeier, Albayrak - Vata (74. Bogdanovic), Diabang (90. Murawski)Zuschauer: 32.200; Tore: 1:0 Basler (56.), 1:1 Diabang (59.)
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