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Kryptographie mit Quanten

Forscher hoffen mit einzelnen Photonen eine perfekte Verschlüsselungsmethode entwickeln zu können. Geheime Mithörer könnten dann nicht länger unentdeckt bleiben. Bisher ist das Verfahren nur auf kurze Strecken nutzbar

Alice sitzt gelangweilt vor dem Fernseher; da fällt ihr Blick auf den Bestseller „Alice im Wunderland“. Sie sehnt sich danach, vergleichbare Abenteuer zu erleben, stürzt und fällt in Ohnmacht. In ihrem Traum fällt sie durch den Bildschirm hindurch, wo sie – verkleinert – auf die Lichtquanten trifft, die als Strahl den Bildschirm zum Leuchten bringen. Das ist der Beginn einer Geschichte des Physikers Robert Gilmore, in der Alice nach und nach die Besonderheiten der Quantenwelt kennen lernt.

Viele Eigenschaften von Quanten wirken absurd, wurden aber immer wieder experimentell bestätigt. Und einige von ihnen lassen sogar eine Verschlüsselung mit Hilfe von Quanten als äußerst vielversprechend erscheinen. Denn die Quantenkryptographie bietet gegenüber herkömmlichen Verschlüsselungsmethoden einen enormen Vorteil: Der Schlüssel, mit dem sich eine Nachricht chiffrieren lässt, ändert sich, wenn jemand versucht zu lauschen.

Einem Forscherteam um den deutschen Physiker Peter Michler an der University of California in Santa Barbara gelang vor kurzem ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung der Quantenkryptographie: Es erzeugte einzelne Energiequanten des Lichtes – Photonen, die bei der Quantenkryptographie dringend benötigt werden.

Bei dieser Verschlüsselungsmethode übermittelt ein Sender (meist Alice genannt) einem Empfänger (Bob) einen geheimen Schlüssel mit Hilfe von Quantenbits. Diese entstehen aufgrund einer ganz besonderen Eigenschaft der Photonen: Die Lichtquanten befinden sich in einer Überlagerung verschiedener Zustände. Erst im Zustand der Messung hört diese Unbestimmtheit auf, und jedes Photon erhält ganz konkrete Eigenschaften. Und ähnlich wie Schrödingers Katze gleichzeitig mit einer gewissen Eigenschaft tot und lebendig ist, können Photonen gleichzeitig waagerecht und senkrecht polarisiert sein. Benutzt man solche Lichtquanten als Informationsträger oder Bits, können sie gleichzeitig den Wert null und eins haben.

Sendet Alice an Bob eine Abfolge unterschiedlicher Quantenbits, etwa polarisierte Photonen, so ist deren Ausrichtung – quantenmechanisch gesehen – eine Überlagerung aus verschiedenen Polarisationszuständen. Hängt nun ein Spion in der Leitung und misst diese Quantenbits, zerstört er deren empfindlichen Überlagerungszustand, und der so entstandene Fehler ist beim Vergleich der Werte zwischen Alice und Bob leicht zu erkennen.

Verlassen jedoch zwei Photonen die Quelle zur gleichen Zeit, ist die Gefahr eines unentdeckten Lauschangriffs nicht vollständig gebannt. Ein Spion könnte unbemerkt einen Strahlenteiler zwischen Sender und Empfänger schieben und die Polarisationsrichtung eines der beiden Photonen messen.

Dem Forscherteam um Peter Michler gelang es nun, dieses Abhörrisiko auszuschalten. Sie betteten geladene Teilchen in winzige Inseln aus Indium-Arsenid auf einem Substrat aus Gallium-Arsenid ein und regten diese so mit einem exakt dosierten Laserimpuls an, dass mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit immer genau ein Photon ausgesendet wurde.

Per Glasfaserkabel ist bereits die Übermittlung solcher Kryptogramme über 50 Kilometer gelungen – mehr aber auch nicht, da normale Lichtverstärker nicht verwendet werden können. Sie würden den quantenmechanischen Zustand genauso stören wie ein Lauscher.

Der Trend geht jedoch weiter. Inzwischen denken Wissenschaftler an eine globale Kommunikation über Satelliten. Ein Forscherteam um Richard Hughes von den Los Alamos National Laboratories testet bereits die Übermittlung von Photonen mit Lasern. Dabei liegt der Rekord bisher bei 1,6 Kilometern. Doch diese Bestmarke soll nach Aussage von Hughes bald übertroffen werden: „In den nächsten Monaten wollen wir Übertragungsreichweiten von bis zu zehn Kilometern erreichen.“

Dies weckt Hoffnungen, dass Quantenkryptographie einmal über weite Distanzen gelingen wird. Der Wissenschaftsjournalist Simon Singh ist überzeugt, dass die Quantenkryptographie dann alle Datensicherheitsprobleme lösen könnte: „Wenn quantenkryptographische Systeme hergestellt werden, die über große Entfernung funktionieren, wird das Verlangen nach Geheimhaltung erfüllt sein.“

CLAUDIA BORCHARD-TUCH

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