: Multikulti auf Bayerisch
betr.: „Furcht vor Stoiber“ (Bundesausländerbeirat warnt vor Unionsregierung), taz vom 9. 9. 02
Nicht erst seit den Anschlägen in den USA gelten Migranten und hier vor allem Asylsuchende, als Bedrohung und Belastung. Stoiber, Beckstein, Glos, Goppel, Gauweiler, sie alle waren nimmermüde, die Gefahr der kulturellen Überflutung zu predigen.
„Das Boot ist voll“, „Scheinasylanten“, die unsere Sozialkassen plündern und ruinieren“, das waren jahrelang gängige Behauptungen, die schließlich zu zahlreichen Einschränkungen im Asylrecht führten. Die Not der Flüchtlinge, globale Probleme und Ursachen fielen dabei einfach unter den Tisch. Als Nächstes wurde das Fass mit der Leitkultur eröffnet, wo die CSU dankbare Mitstreiter wie Merz und Merkel fand. „Wir sind kein Einwanderungsland und werden es nie sein“, wurde felsenfest behauptet, und das angesichts von Millionen Ausländern, die in Deutschland leben, arbeiten und Steuern bezahlen. Man will sie einfach nicht haben, die Ausländer, auch wenn sie da sind. Xenophobie, eine tiefgreifende Furcht vor allem, was fremdartig erscheint, ist die Ursache. Mit diesem geistigen und juristischen Schutzwall schossen sich nicht nur die bayerischen Politiker ein lupenreines Eigentor. Man vernachlässigte die nötigen Integrationsaufgaben, sozial-, arbeits- und bildungspolitisch. […] Klopft jedoch ein Ausländer mit einem gut gefüllten Geldbeutel an die bayerischen Pforten, handelt es sich bei ihm um einen High-Tech-Spezialisten oder begnadeten Fußballer, dann ist er herzlich willkommen. Diese „Vorzeigeausländer“ gelten dann als Beweis dafür, wie angeblich weltoffen Stoiber und Co. sind. Aber das sind sie eben nicht. Und deshalb wundert es nicht, dass Migranten, insbesondere Flüchtlinge, sich vor einem bayerischen Kanzler und seinem Kabinett fürchten.
STEFAN DERNBACH, Dipl.-Sozialarbeiter, Siegen
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