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Wildwestmanieren vergiften Klima

betr.: „Populismus will gelernt sein“ (Der Hitlervergleich von Herta Däubler-Gmelin ist Unsinn), Kommentar vom Christian Semler, taz vom 21. 9. 02

Keinesfalls unsinnig ist Frau Däubler-Gmelins Vergleich von Bush mit Hitler, allenfalls etwas ungenau: Hitlers Angriffskriege hingen vielleicht wirklich nicht im gleichen Maße von der tagesaktuellen Innenpolitik ab wie die von Bush geplanten. Wer aber Bushs Reden an die (von Gott) auserwählte amerikanische Nation einmal im Originaltext gehört hat, dem drängt sich der Vergleich mit Hitlers todbringendem Gefasel über Vorsehung und die besondere Mission der „arischen Rasse“ geradezu auf. Auch sämtliche Kriege der USA in den letzten 50 Jahren galten Menschen anderer Hautfarbe (wie in der taz vor kurzem zu lesen war), und die imperialen Macht- und Eroberungsgelüste des Repräsentaten nordamerikanischer Ölinteressen dürften denjenigen Hitlers kaum nachstehen.

Es war bekanntlich noch nie besonders klug, den Überbringer schlechter Nachrichten zu köpfen, statt aus diesen die nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Diejenigen, die jetzt Däubler-Gmelins Rücktritt fordern und vermutlich durchsetzen werden, könnten vielleicht eines Tages gefragt werden, was sie selbst gegen die Bedrohung des Weltfriedens durch Bush unternommen haben.

HEINZ ECKEL, Berlin

Däubler-Gmelin ist bloß Minister. Der gute alte Kohl als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat Gorbatschow mit Goebbels verglichen. Später hat er ihn als seinen Freund bezeichnet. Dies sagt doch alles über den Charakter der meisten Politiker aus. PETER SCHWARZ, Sydney, Australien

Da ist Frau Däubler-Gmelin beim Zurückrudern doch glatt ein Kursfehler unterlaufen. Nie würde sie, so ihre Klarstellung, den „demokratisch gewählten Präsidenten der USA mit einem Diktator wie Hitler“ vergleichen.

Nun, an die Macht gekommen ist Hitler rein formal demokratischer als Bush: Während das Ermächtigungsgesetz 1933 vom Reichstag mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen wurde, fehlten G. W. Bush zur endgültigen Präsidentschaft doch noch einige Stimmen. Die Auszählung wurde bekanntlich im US-Staat Florida, in dem Bushs Bruder Jeb Bush Gouverneur ist, kurzerhand abgebrochen.

Und was die Demokratie angeht: Vor dem Zweiten Weltkrieg waren sich die USA nicht zu schade, Hitler offiziell und inoffiziell mit insgesamt eineinhalb Milliarden Mark zu unterstützen. Eine Politik, die sich mit dem aktuellen Fall Bin Laden durchaus vergleichen lässt: Zuerst finanzieren, dann fallen lassen und bekämpfen. Lehrreiche Rückblicke in die Geschichte müssen erlaubt sein, ohne dass gleich die Tabukeule geschwungen wird. Und wenn heute einer das Klima zwischen Deutschland und den USA vergiftet, dann ist es Bush mit seinen globalen Wildwestmanieren.

BERND H. SCHOEPS, Dortmund

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