: Porsche, Schröder, BSC
Seit zwei Jahren profiliert sich die Galerie WBD als außergewöhnlicher Ort für Ausstellungen. Jetzt sind dort die Zeichnungen von Christoph Bannat zu sehen
Verwirrende Welten türmen sich in den Zeichnungen von Christoph Bannat. Paare umarmen sich in Filmprojektionen. Ein kleiner, dicker Mann schaut, anscheinend verständnislos, dabei zu. Girlanden aus Papierfetzen wirbeln durch den Raum. Lampions schwingen vor Gittern und in chaotisch überfüllten Abstellkammern. Kleine Bilder sind das, 62 mal 90 Zentimeter, bis in minimale Details durchkomponiert. Kein Strich zufällig, jeder Hintergrund im genau austarierten Raster geschwärzt.
„Der Blick aufs winzige Detail kommt vielleicht von meinem Vater. Der war Optiker“, sinniert Bannat. Seine Ausstellung nennt er „Ein Porsche für die Bewusstseinsgarage“. Bewusstsein, Angeberschlitten, Garage – wo ist die Verbindung? Der Künstler weiß auch keine rechte Antwort, aber meint, das müsse er auch nicht. Schließlich wolle er ja keine Essays schreiben, sondern allenfalls Denkanstöße geben. Der Aufwand, mit dem die kleinformatigen Wimmelbilder entstehen, ist erheblich, an jeder Zeichnung sitzt Bannat mehrere Tage. Die unvermittelten Schnitte, die Oberflächlichkeit der schnellen Information, die aufs Notwendigste reduzierte Bildsprache – gegen all das möchte er einen Gegenpol setzen, gerade weil Foto und Film die heute gültigen Leitmedien seien.
Das Formenrepertoire entlehnt der detailverliebte Zeichner einer Bildsprache, die in Vergessenheit zu geraten droht. Hans Baldung Grien, Dürer, Rembrandt nennt er als Vorbilder. Aber gelegentlich blecken auch skurrile Fratzen, quillt das Blatt bei Bannat mal über von surrealen Bildfindungen: „Robert Crumb finde ich natürlich auch klasse.“ So entsteht ein Universum, das sich zunächst einmal aus vertrauten Bildräumen und Konstruktionen aufbaut, dann aber in absurden Minimalismen implodiert – wuchernd wie in einem Garten.
In der Galerie WBD findet Bannat dafür ideale Präsentationsmöglichkeiten. In dem kahlen, hohen Raum können sich die manieristisch ausufernden Bildfantasien ungestört entfalten. Im fensterlosen Kabinett ergänzt eine Installation das Arrangement mit Diaprojektoren, die noch einmal Ausschnitte und Skizzen zeigen. Denkbar wäre auch die Projektion unmittelbar auf der Wand gewesen, die Zeichnungen hätten sich, auf Stoff belichtet, zu vertrackten Kabinetten verbinden können. Aber all das wollte Bannat nicht. Schließlich war die Lächerlichkeit etlicher schnell zusammengezimmerter Installationsarbeiten, in denen beliebiges Gerümpel wahllos angehäuft wird, für ihn ein Anlass seiner realitätsversessenen Zeichnungen. Die Möglichkeit, seine Arbeiten frei von Effekt heischenden Verwertungszwängen zu präsentieren, verdankt Bannat nicht zuletzt dem Konzept des Ausstellungsraumes. Drei ehemalige Kunststudenten: Michael Dethleffsen, Thomas Ravens und Martin Städeli wollten vor zwei Jahren einen Gegenpol zum profitorientierten Galerie- und Ausstellungsbetrieb schaffen. Das Vorgehen der Künstlergruppe ist unprogrammatisch: Die Spannbreite reicht von den eher witzigen Installationen Thaddäus Hüppis über die multimedialen Inszenierungen Uta Kollmanns bis hin zu den Architekturaquarellen Petra Trenkels. Am Anfang schwebten sogar Strohballen durch den Raum. „Eselsstroh“ nannte Fritz Heisterkamp seine Installation, in der auch ein zum Türstopper mutierter Dildo und ein Romeo spielender Maulwurf zum Einsatz kamen.
Heisterkamps Arbeit entstand, ebenso wie auch die anderer Künstler, speziell für den Ausstellungsraum. „Oft sind auch wir überrascht, wie die Austellungen dann aussehen“, gesteht Städeli. Dennoch bastelt hier niemand einsam vor sich hin, sondern die Galeristen helfen tatkräftig mit – bis hin zur Finanzierung der Einladungskarten. Ob das in Zukunft noch geht, ist zweifelhaft: Der bisherige Sponsor, eine Schweizer Internetfirma, hat den New-Economy-Crash nicht überlebt. Zunächst fürchteten die Künstler, Ende des Jahres sei wegen Finanznot Schluss mit dem schönen Projekt. Nun aber steht fest, dass sie die Räume vorläufig weiternutzen können. RICHARD RABENSAAT
Bis 26. 10., Brunnenstr. 9, Do.–Sa. 16–19 Uhr, WBD, www.webede.com
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