: Hoffnung auf die rote Heidi
Nichtregierungsorganisationen fordern mehr Bedeutung für das Entwicklungsministerium und mehr internationale Initiativen. Doch die meisten Lorbeeren, die es für sie zu holen gab, hat Ministerin Wieczorek-Zeul schon in der ersten Amtszeit eingeheimst
aus Berlin KATHARINA KOUFEN
Während der Koalitionsverhandlungen war die rote Heidi so oft im Fernsehen zu sehen wie sonst im ganzen Jahr nicht. „Wenn die Ministerin doch auch mit ihrer Entwicklungspolitik so viel Aufmerksamkeit bekäme“, seufzt ein Mitarbeiter eines kirchlichen Hilfswerks.
Doch das bleibt erst einmal ein Wunsch. Denn was an neuen Kompetenzen für das Ministerium (BMZ) zu holen war, wurde bereits 1998 ausgeschöpft: Eine Stimme im Bundessicherheitsrat sowie die Federführung bei der EU-Entwicklungspolitik. Inzwischen verdrängt die schlechte Wirtschaftslage aber das Thema Entwicklungshilfe, das nach den Terrorangriffen von letztem Jahr in aller Munde war.
Im Koalitionsvertrag hat Rot-Grün den Beschluss bekräftigt, den Anteil der Entwicklungshilfe am Sozialprodukt bis 2006 von derzeit rund 2,7 auf 3,3 Prozent anzuheben. Weil die Kassen leer sind, will die Regierung dafür auch neue Finanzierungsmaßnahme prüfen lassen, darunter die Tobin-Steuer. Die Entwicklungsverbände fordern sie seit längerem. Deren Dachverband Venro hat der neuen Koaltion einen Katalog mit zehn Forderungen geschickt. Jörn Kalinski vom Entwicklungsverband Oxfam hofft bei der Aufstockung des Etats vor allem, „dass es keine buchhalterischen Tricks wie in den vergangenen Jahren gibt“.
Die Verbände fordern außerdem, dass das Programm zur Bekämpfung von Armut von Anfang 2001 „endlich mit Zahlen und Zeitrahmen“ versehen wird“, so Kalinski. Bisher handelt es sich bei dem Programm um eine Aufzählung unverbindlicher Absichtserklärungen.
International soll das Entwicklungsministerium „eine größere Vorreiterrolle“ spielen – „beispielsweise bei der Reform von Weltbank und Währungsfonds“, so der Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, Martin Bröckelmann-Simon. Auch ein weiterer Schuldenerlass für Entwicklungsländer sei wünschenswert. Damit hatte sich Wieczorek-Zeul zu Beginn ihrer ersten Amtsperiode profiliert. Seitdem kommt die Initative nur schleppend voran – was allerdings nicht die Schuld der Deutschen ist, sondern an der Trägheit der Gebergemeinschaft insgesamt liegt: 800 Millionen Dollar hat diese für einen weiteren Erlass zugesagt, doch einige Länder haben den versprochenen Finanzierungsbeitrag noch nicht eingezahlt. Ohnehin sei dies reine „Flickschusterei“, meint Kalinski. Denn die hohen Öl- und gleichzeitig sinkenden Rohstoffpreise haben den Spielraum aus dem Schuldenerlass schon wieder zunichte gemacht.
Hier, so hoffen die Verbände, könnte das Ministerium „auf die EU einwirken“, dass sie den Markt für alle Agrarprodukte öffnet. Der Preisverfall für Kaffee etwa ist eine Folge des europäischen Protektionismus: Weil Zucker oder Bananen nur nach Quoten in die EU eingeführt werden dürfen, haben sich immer mehr Entwicklungsländer auf den Kaffeeanbau spezialisiert. Das hat zu einem Überangebot und damit zu sinkenden Preisen geführt. Zucker hingegen, ein Produkt, das viele arme Länder exportieren könnten, wird in der EU hergestellt und verkauft – zum Dreifachen des Weltmarktpreises. Und, völlig absurd: Der überteuerte Zucker wird anschließend hochsubventioniert nach Afrika oder Asien exportiert – wo er den heimischen Produzenten das Geschäft kaputtmacht.
Das zu ändern, ist jedoch Sache der EU – und nicht des BMZ. Dort ist man sich der Problematik längst bewusst. Und auch im Koalitionsvertrag steht, die Regierung werde „dafür eintreten, die unfaire Konkurrenz durch Exportsubventionen der Industrieländer gegenüber den Ländern des Südens zu überwinden“. Konkrete Ziele wie die schnellere Öffnung des Zuckermarktes werden jedoch nicht genannt. Sie zu erreichen wäre auch zu schwierig: Heidi Wieczorek-Zeul hat in Brüssel gegen die Bauernlobby zu kämpfen. Und die ist sehr viel stärker, als es die Fürsprecher der Entwicklungsländer sind.
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