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Pst, Joschka spricht

betr.: „Joschka sitzt nicht im Schrank“ (Kommentar von Bettina Gaus), taz vom 28. 10. 02

Es war 1988 in Karlsruhe. Auf dem grünen Parteitag bekam der linke Vorstand keine Mehrheit. Um mal zu sehen und zu hören, wie bei den Realos ein Sieg gefeiert wird, bin ich zum Hinterzimmerhofbräuhauskeller mitgegangen. Mir gegenüber saß Tom Koenigs, damals Dezernent in Frankfurt. Wir unterhielten uns über Dinge, die wir bis dahin telefonisch besprochen hatten. Plötzlich flüsterte Koenigs: „Pst, Joschka spricht!“ Und richtig, Joseph der Große, erschien, setzte sich auf einen Tisch und verkündete unter Zuhilfenahme von Realas und Realos, die nach seiner Meinung das Richtige sagen würden und denen er deshalb nach seinem Gutdünken das Wort erteilte, was sein Verein vom Parteitagsgeschehen zu halten habe.

Insofern liegt Bettina Gaus nicht ganz richtig mit ihrem Eindruck, Grüne müssten „vor einer Meinungsäußerung nachschauen, ob nicht Joschka Fischer im Schrank sitzt“. Fischer sitzt nicht im Schrank, sondern auf dem Tisch und anscheinend jedem, selbst einem Tom Koenigs, von dem mensch denken könnte, er gehöre zu den Führungskadern der Realos, im Nacken. Dass Fischer bei der selbst- und eigenverantwortlichen Organisation des Sieges in Karlsruhe über die Schulter auf jemanden zeigte und zu diesem, ohne ihn anzusehen, sagte: „Und du besorgst für acht Uhr einen Versammlungsraum!“, spräche selbst dann Bände über Fischers Schrank-, Tisch- und Nackenmanieren, wenn es sich nicht um den damaligen Vizepräsidenten des Hessischen Landtags gehandelt hätte. RICHARD KELBER, Dortmund

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