: Mit Hühnern auf der Bahn
betr.: Abbau öffentlicher Dienste
Post und Bahn wollen ihre Dienstleistungen stark einschränken, aber mehr kassieren. Zu meiner Kinderzeit wurde täglich zweimal zugestellt, und die vormittags im Stadtbereich aufgegebene Post wurde nachmittags ausgetragen. Pakete mit frisch gefangenen Fischen wurden in Kühlwagen (mit Natureis vom letzten Winter) transportiert und kamen von Ostpreußen durch den polnischen Korridor (1919 bis 1939) nach 700 Kilometer Fahrt „fangfrisch“ beim Empfänger in Halle an. In dem Fischgeschäft „Nordsee“ wurde der Fisch verkauft, der tags zuvor in Cuxhaven angelandet worden war. An jeder zweiten Straßenecke hing ein Briefkasten, der zweimal täglich geleert wurde. Außer dem Hauptpostamt gab es in Halle ziemlich viele Nebenpostämter.
Die Bahn beförderte noch 1970 lebende Tiere, zum Beispiel Hühner und Schafe, oder Gartenfrüchte als „Express“ – und auch das aufgegebene Gepäck der Reisenden mit jedem Zug, also so schnell, wie der Fahrgast reiste. Der Kunde war König. Das war Aufgabe der Staatsmonopole. Jetzt wird besondere Post gar nicht mehr zugestellt, wenn der Postkunde nicht angetroffen wird – sie wird einfach zurückgeschickt oder der Kunde muss zwanzig, dreißig Kilometer zum nächsten Postamt fahren.
Das so günstige Postscheckkonto kann sich darum keiner mehr leisten, der nicht in der Nähe des Postamtes wohnt, und die anderen Geldinstitute pflücken ihre Kunden bis auf die blanke Haut, obwohl sie bei der Einführung des bargeldlosen Verkehrs vor 43 Jahren auf unzähligen Werbebriefen versprochen hatten, keine Gebühren zu erheben, da sie durch das zinslose Girokonto schon übergenug verdienten. Um das Geld unterzubringen, bauen sie sich jetzt alle zehn Jahre einen neuen Marmorpalast.
Unter der Kohl-Regierung wurde die Ausräuberung unseres Staates begonnen. Was einträglich war, wurde privatisiert, privat genutzt – aber Zuschussobjekte beließ man dem Steuerzahler.
Nun verlangt man von den sozialen Diensten, dass sie sich selbst finanzieren sollen. Große Konzerne aber, wie die Atomwirtschaft, brauchen nicht für Betriebskosten aufzukommen, der Staat übernimmt Forschung, Polizeischutz sowie die vergebliche Suche nach Entsorgung und Endlagerung.
Die Bediensteten haben da keine Schuld. Sie sind ständig im Stress. Haben sie mal keinen Stress, wird man schnell eine überschüssige Stelle abbauen. CHRISTIAN EISBEIN, Burhafe
Die Redaktion behält sich den Abdruck und das Kürzen von Briefen vor. Die veröffentlichten LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen