piwik no script img

Umstrittene Förderung

Senat will Ausbildungsprogramm für schwer Vermittelbare ausbauen. Grüne: Falscher Weg

von RICHARD ROTHER

Zu wenig Ausbildungsplätze, zu schlechte Schulabgänger, die mitunter kaum lesen können – die Misere zwingt die Stadt, mit immer neueren Programmen Jugendlichen zu helfen, auf dem Ausbildungsmarkt Fuß zu fassen. Teuren Programmen, die möglicherweise mehr den Anbietern nützen als den Betroffenen; Programme also, über die sich trefflich streiten lässt. Eines davon ist morgen gleich zweifach Gegenstand parlamentarischer Beratungen: Im Arbeitsausschuss des Abgeordnetenhauses werden Sinn und Unsinn der Modular-dualen Qualifizierungsmaßnahme (MDQM) beraten, und im für Finanzen zuständigen Hauptausschuss ist die MDQM-Aufstockung um immerhin 700 Plätze in diesem Jahr Thema. Dafür bringt Berlin rund 11,5 Millionen Euro bis 2007 auf.

Der Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz ist die MDQM schon seit ihrer Entstehung 1998 ein Dorn im Auge, die geplante Aufstockung durch den rot-roten Senat hat Klotz, die sich seit Jahren mit dem Dickicht Berliner Arbeitsmarktprogramme beschäftigt, gar „geschockt“. „Das Programm hat nicht den erhofften Erfolg gebracht.“ Obwohl ein wirtschaftsnahes Institut das Programm betreue, würden die Jugendlichen unter „Laborbedingungen“ ausgebildet, von einer Nähe zu potenziellen Übernahmebetrieben keine Spur. Zudem könnten sie mit ihren Zertifikaten, die sie nach einzelnen Ausbildungsmodulen erhalten, wenig anfangen. Entsprechend hoch sei die Quote der Abbrecher. Tatsächlich sieht die Bilanz des MDQM-Programms, das sich besonders an schwer vermittelbare Jugendliche richtet, nicht allzu rosig aus. Gerade mal 19 Prozent schaffen es, überhaupt die mehrjährige Ausbildung zu beenden; selbst davon findet nur die Hälfte hinterher einen Job.

Jürgen van Buer, Erziehungswissenschaftler der Humboldt-Universität, der das Programm wissenschaftlich begleitet, begründet das mit den Eingangsvoraussetzungen der Jugendlichen: Im Vergleich zu anderen Auszubildenden hätten MDQM-Teilnehmer eine geringwertigere schulische Vorbildung. Auch Christoph Lang, Sprecher von Arbeitssenator Harald Wolf (PDS), wertet das Ergebnis durchaus positiv. Wenn jeder Fünfte der schwer vermittelbaren Jugendlichen einen Abschluss schaffe, sei das gar nicht so schlecht. Die Alternative sei, ein Leben lang Sozialhilfe zu zahlen. Lang: „Wir dürfen die Jugendlichen nicht hängen lassen.“

Das will auch die Grünen-Politikerin Klotz nicht. Statt in das teure MDQM-Programms sollten die Mittel jedoch besser in betriebsnähere Ausbildungswege umgeschichtet werden. Das sei langfristig erfolgversprechender. Besonders fragwürdig sei es, wenn für MDQM Mittel frei gemacht würden, die an anderer Stelle, etwa bei Eingliederungsmaßnahmen für Sozialhilfeempfänger, fehlten.

Das Geld soll nach Angaben der Arbeitsverwaltung unter anderem durch Umschichtung bei EU-geförderten Qualifizierungsmaßnahmen aufgebracht werden, für die dann das Arbeitsamt einspringt. Wolf-Sprecher Lang: „Wegen MDQM kommen andere Programme nicht zu kurz.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen