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Trübe Aussicht für den Wald

Den Berliner Bäumen geht es besser. Ein bisschen zumindest. Und nur weil es verdammt viel geregnet hat. Noch immer sind vier Fünftel des Waldes krank. Grüne an Strieder: „Ignoranz ist keine Lösung“

von JÜRGEN SCHULZ

Jedes Jahr das gleiche Spiel: Die Gutachter der Landesforstanstalt ziehen in die Wälder, schauen in die Kronen der Bäume und tragen den Prozentsatz der Belaubung in ihre Unterlagen ein. Und alle Jahre wieder folgen daraus die Horrormeldungen des Waldschadensberichts.

In diesem Jahr scheint das anders zu sein: Dem Wald in Berlin geht es besser, erstmals seit drei Jahren. 7 Prozent mehr Bäume sind gesund, das sind knapp ein Fünftel von allen. Umgekehrt aber heißt das: Noch immer sind vier Fünftel aller Berliner Bäume krank. Und: An der Verbesserung ist allein das Wetter schuld. Es hat eben viel geregnet.

„Der Wert für Berlin ist vor allem wegen der besseren Witterungssituation auf den von 1998 zurückgegangen“, sagt Reinhard Kallweit von der Landesforstanstalt Eberswalde, der die wissenschaftliche Auswertung des Berichts geleitet hat. Zu große Trockenheit sei etwa bei Kiefern, dem häufigsten Baum in Berlin, ein Faktor für mehr braune Nadeln. Von Entwarnung kann also nicht die Rede sein.

Ohnehin schlechte Karten hat das Berliner Gehölz im Vergleich mit den Brandenburger Forsten: Dort finden sich 49 Prozent gesunde Kronen. Und das, obwohl in Brandenburg erstmals seit sechs Jahren eine leichte Verschlechterung zu verzeichnen ist. Das sind die Ergebnisse des gestern vorgestellten Waldzustandberichts von Berlin und Brandenburg.

„Die Schadenswerte stagnieren auf hohem Niveau“, urteilt dann auch Felicitas Kubala, umweltpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen. Und: „Dem Wald in Berlin und Brandenburg geht es weiterhin schlecht.“ Schuld daran seien vor allem die Schadstoffemissionen aus dem Autoverkehr.

Auch Angela Lührte vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beurteilt das jährliche Ritual der Waldzustandsberichte kritisch: „Das Problem bleibt bestehen, zum Beispiel im Boden. Die Fokussierung auf die Kronen der Bäume ist zu wenig.“ Man müsse sehr viel detaillierter hingucken. Lührte: „In einem Trockenjahr sehen alle Bäume mager aus.“

Maßnahmen gegen die hohe Schadstoffbelastung, den hohen Stickstoffeintrag und die Ozonbelastung fordert auch Forstexperte Kallweit. Vor allem die Verkehrsemissionen würden diese giftigen Substanzen produzieren und Dauerstress für die Bäume auslösen. „Das Problem der Ozonbelastung durch den Verkehr muss dringend gelöst werden“, sagt Kallweit.

Als notwendige Maßnahmen nennt Mark Franusch, Sprecher der Berliner Forsten, altbekannte Mittel wie die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs oder Kraftstoff sparende Kraftwagen. Nur hat das für die Baumkronen keine unmittelbaren Konsequenzen. Mark Franusch: „Jahrzehntelange Schadstoffeinträge wirken sich noch lange aus.“

Das sehen auch die Fachfrauen vom BUND und den Grünen so. Sinnvoll sei deshalb das Monitoring-Programm des Senats, das auch Faktoren wie Schadstoffe in den Nadeln, im Boden und im Niederschlag untersucht. Dieses Programm will der Senat jedoch ab 2003 stoppen. „Dadurch wird die kontinuierliche Beobachtung des Waldes erheblich erschwert“, sagt die grüne Umweltexpertin Kubala. „Die Probleme zu ignorieren ist keine Lösung.“ Aus dem Hause von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) war dazu gestern keine Stellungnahme zu erhalten.

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