zahl der woche: Atommüll in Russland
Kurilen-Insel als illegales Endlager
Den Bock zum Gärtner gemacht haben jene Mitglieder der russischen Duma, die seinerzeit den Deputierten Sergej Schaschurin zum stellvertretenden Vorsitzenden des Parlamentskomitees für Ökologie wählten. Die Organisation Ecodefense (Moskau) präsentierte in dieser Woche der Öffentlichkeit bisher geheime Dokumente. Sie beweisen: Dieser Mann möchte die zur Russischen Föderation gehörende Kurileninsel Simuschir in eine Endlagerstätte für den Atommüll halb Ostasiens verwandeln. Dazu schloss der Abgeordnete Schaschurin zwei Abkommen mit der taiwanisch-japanischen Firma Asia Tat Trading Co. Ltd (ATT).
Nach dem jüngsten dieser Verträge versprechen sich seine Initiatoren von dem Projekt einen Gewinn von etwa 10 Milliarden Dollar. Der Text sieht die 2,5 Milliarden teure Errichtung einer Speziallagerstätte auf Simuschir vor. Dort sollen „200 Millionen Fässer“ mit radioaktiven Abfällen versenkt werden – unter Verletzung des russischen Gesetzes.
Die Lagerung ausländischen Atommülls in der Russischen Föderation war noch bis zum vergangenen Jahr generell verboten. Unter dem starken Druck der Atommagnaten des Landes wurde das Verbot aber von der Duma und vom Präsidenten abgeändert.
Der energische Widerstand diverser Bürgerinitiativen gegen diese Änderung bewirkte immerhin, dass die Importerlaubnis auf hochradioaktive Stoffe aus verbrauchten Brennelementen zum Zwecke der Wiederaufbereitung beschränkt blieb. Mittel- und schwachradioaktive Stoffe müssen dagegen vor Russlands Tür bleiben.
Gerade um solche geht es aber bei dem Abkommen: „Schaschurin würde alle Arten von radioaktiven Abfällen nehmen, aber man hat ihm nur schwachradioaktive angeboten“, sagt dazu Wladimir Sliwjak von Ecodefense. Er weist darauf hin, dass die Region um die Halbinsel Sachalin, zu deren Verwaltungsbezirk auch die Insel Simuschir gehört, zu den seismisch instabilsten Zonen der Erde zählt. Auf Simuschir selbst befindet sich ein aktiver Vulkan.
Am 10. November trat Sergej Schaschurin vor dem Parlament von Sachalin auf und erklärte: „Die Lagerstätte für atomare Abfälle kann zur Quelle der wirtschaftlichen Entwicklung des russischen fernen Ostens werden.“ Zum Besuch einer entsprechenden Anlage in der japanischen Provinz Aomori lud er die örtlichen Abgeordneten ein. Die gingen ihm allerdings nicht auf den Leim, sondern fragten, woher er denn das Geld für solche Reisen nehmen wolle. Schaschurin blieb die Antwort schuldig.
Er sitzt übrigens außer in der Ökokommission der Duma auch noch im parlamentarischen Ausschuss für den Kampf gegen die Korruption.
BARBARA KERNECK
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